Titelblatt, Maier, Symbola aureae mensae, 1617

Titelblatt für Michael Maier, Symbola aureae mensae duodecim nationum, Frankfurt: Lucas Jennis 1617, UB Frankfurt, Sign. 8° P 192.5055

Symbola aureae mensae duodecim nationum ist eine Publikation des Arztes und Alchemisten Michael Maier (1568-1622), wurde 1617 von Lucas Jennis verlegt und von Anton Humm gedruckt. Hinter der Kompilation der Symbole der goldenen Tafel aus zwölf Nationen (dt. Übers.) verbirgt sich eine Art genealogische Geschichte der Alchemie, die Maier anhand herausragender Alchemisten und deren Schrifttum zusammenstellt. Mit großer Freude für theoretische Präzision und humanistisch motivierte Quellentreue listet Maier in einem abschließenden Index mehrere hundert alchemistische Autoren auf.

Das Titelkupfer, dessen Urheber nicht bekannt ist, thematisiert die im literarischen Fließtext des Buches realisierte Versammlung großer Autoritäten der Alchemie – die Kette der Weisen – und ist symmetrisch aufgebaut. Im Zentrum befindet sich die lateinische Titelei des Werks, die zugleich die aurea mensa (Goldene Tafel) imaginiert, an welcher die Weisen aus insgesamt zwölf ‚Nationen‘ Platz genommen haben. Der rechteckig eingefasste Text wird friesartig von zwölf Porträtmedaillons gerahmt, wobei die acht Medaillons, die senkrecht und in den Ecken angeordnet sind, oval und ein wenig größer als die vier runden, waagerecht angeordneten Medaillons sind, was wohl aus Platzgründen resultiert ist. Die Porträts zeigen die von Maier ausgewählten Autoritäten, die jeweils eine Nation vertreten und im Buch in einzelnen Kapiteln nacheinander als Fürsprecher und Verteidiger der ‚königlichen Jungfrau Alchemie‘ auftreten. In den Schriftzügen sind die Namen der Dargestellten samt der Zuordnung zu einer ‚Nation‘ zu lesen. Die Medaillons sind nummeriert und im Uhrzeigersinn angeordnet. Alle Dargestellten sind dem Zentrum zugewandt und blicken den Betrachter nicht an. Durch Zeigegesten und vermittels der Ausrichtung der Büsten miteinander verbunden, sind die Alchemisten als in Kommunikation befindliches Kollegium charakterisiert.

Das erste Porträt zeigt in privilegierter Position und mit eindringlichem Blick Hermes aegyptius, also Hermes Trismegistos als Vertreter Ägyptens. Er ist als orientalischer Magier mit einer Armillarsphäre dargestellt. Dieses Instrument zur Berechnung stellarer Konstellationen ist das typische Attribut des vermeintlichen Erfinders der Alchemie, wie es auch in dazugehörigen Kupferstich des 1. Kapitels, das Hermes Trismegistos gewidmet ist, noch einmal in Szene gesetzt wird (Abb.).[1] Das zweite Porträt zeigt Maria als Vertreterin der Hebräer. Als Attribut trägt sie eine Frauentracht aus dem 15. Jahrhundert und ein Buch in der Hand. Das dritte Porträt stellt Demokrit als Vertreter Griechenlands vor. Er trägt ebenfalls ein Buch im angewinkelten Arm. Das vierte Porträt präsentiert Morienus als Vertreter des Alten Roms. Er hält eine Phiole als Attribut der empirischen Alchemie hoch. Das fünfte Porträt zeigt Avicenna als Vertreter Arabiens. Er besitzt ein Buch. Das sechste Porträt setzt Albertus Magnus Germanus als Vertreter Deutschlands im bischöflichen Ornat ins Bild. Das siebte Porträt zeigt Arnald von Villanova als Vertreter Frankreichs mit Buch. Das achte Porträt zeigt Thomas von Aquin als Vertreter Italiens. Er besitzt ebenfalls ein Buch. Der heiliggesprochene Dominikaner ist jedoch ohne einen Heiligenschein dargestellt. Das neunte Porträt präsentiert Raimundus Lullus als Vertreter Spaniens. Er ist als Adliger mit einem Destillierapparat bestehend aus Curcubit und Alembik dargestellt. Das zehnte Porträt zeigt Roger Bacon als Vertreter Englands. Der Franziskaner deutet mit seiner Hand auf den unteren Teil des Textes im Zentrum und unterstreicht die im Gespräch dargestellte Kette der Weisen. Das elfte Porträt zeigt Melchior Cibinensis als Vertreter Ungarns, der mit seiner Hand auf den oberen Teil des Textes verweist. Das zwölfte und letzte Porträt stellt einen anonymen Sarmaten in vornehmer Kleidung als Vertreter der Slawen vor. Er deutet mit seiner Hand auf das Porträt des Hermes Trismegistos. Stolcius von Stolcenberg, der 1624 bei Lucas Jennis ein alchemisches kompiliertes Emblembuch publizierte, identifizierte den Gelehrten als Michael Sendivogius.[2]

Das Werk, das zu den ersten von Jennis verausgabten alchemistischen Drucken zu zählen ist, wurde neben dem Titelblatt mit einer zwölfteiligen Bildserie der Weisen der Alchemie zu Beginn der einzelnen Kapitel und mit darüber angeordneter enigmatischer Inscriptio im Letternsatz versehen. Die Kupferstiche, die der Verleger Jennis, dem damaligen Usus entsprechend, auch in anderen alchemoallegorischen Büchern weiter verwandte[3], stammen von einem nicht namentlich genannten Künstler, womöglich Johann Theodor de Bry.[4] Zu den emblematischen Bildschöpfungen im Traktakt gehören unter anderem die oben angesprochene ikonenhafte Darstellung des Gründervaters der Alchemie Hermes Trismegistos mit Armillarsphäre und die, für Michael Maiers Wappen bedeutsame Darstellung Avicennas mit Kröte und Adler, die durch eine Kette verbunden sind.[5]

Belinda Wakeland (2021)


Literatur

Brüning 2004, Nr. 1204; VD17 23:291341V

Trenczak 1965, S. 327f.; Maier, Michael, Symbola aureae mensae duodecim nationum, Frankfurt 1617, fotomechanischer Nachdruck, eingeleitet v. Karl R. H. Frick, Graz 1972, S. XXII-XXVII; Klosssowski de Rola 1988, S. 105-116; Gilly, Carlos, Akat. Rosenkreuzer im Spiegel 1995, Nr. 181; Tilton 2003, S. 114; Brüning 2004, S. 45, 85, 255; Meier-Oeser, S., Hermetisch-platonische Philosophie. Einleitung, in: Die Philosophie des 17. Jahrhunderts, hg. von Wilhelm Schmidt-Biggemann u.a., Basel 2001, S. 7-18, hier S. 8; Biedermann 2006, S. 90-104; Wels 2010; Laube, Stefan, Zwölf Köpfe aus zwölf Nationen, Akat. Goldenes Wissen 2014, Kat. Nr. 17, S. 220f., Abb. 90

Online-Exemplar BSB München

Endnoten
  1. Noch einmal verwendet wird die Graphik bei Stolcius von Stolcenberg, Chymisches Lustgärtlein, Frankfurt: Lucas Jennis 1624, XVI. Figur, Hermes Trismegistus. – Zur grundlegenden Stoßrichtung der Rezeption des Hermes Trismegistos bei Michael Maier vgl. Wels 2010, S. 173.

  2. Akat. Goldenes Wissen 2014, S. 220.

  3. Vgl. Michael Maier, Symbola aureae mensae duodecim nationum, Frankfurt am Main 1617, fotomechanischer Nachdruck, eingeleitet v. Karl R. H. Frick, Graz 1972, S. XXII-XXVII, S. XXII.

  4. Bei Brüning 2004 S. 255 fälschlich einem Thomas de Bry (?) zugeordnet.

  5. Michael Maier, Symbola aureae mensae duodecim nationum, Frankfurt: Lucas Jennis 1617, S. 192.