Ikonographie Hermes Trismegistos

Ikonographie des Magiers und Erfinders der Alchemie Hermes Trismegistos in den Bildfindungen der Oppenheim-Frankfurter Verlage (1) Johann Theodor de Bry, Emblem des Hermes Trismegistos, in De divinatione et magicis praestigiis 1616 (2) Michael Maier, Symbola Aureae Mensae duodecim nationum, Lucas Jennis Frankfurt 1617 (3) Matthäus Merian d.Ä., Hermes Trismegistos in Atalanta Fugiens, Emblem XXI, Johann Theodor de Bry 1617

Den subordinierten Urheber der Alchemie, Hermes Trismegistos, sehen wir in den Bildfindungen der Frühen Neuzeit typischerweise mit dem Attribut der Armillarsphäre, einem Instrument zur Berechnung stellarer Konstellationen, ausgestattet. Deutet dieselbe einerseits auf seine Rolle als Astrologe hin,[1] so verbindet sie in anderen Kontexten Hermes Trismegistos mit grundlegenden Überlegungen zur alchemistischen/alchemischen Vorstellungswelt, insbesondere der Makro-Mikrokosmos-Analogie, die geprägt ist durch die ihm zugeschriebene Verfasserschaft der Tabula Smaragdina (>). Anfang des 17. Jahrhunderts wurde diese Verbindung durch Rezeptionen des zweiten Satzes – Deus est sphaera infinita, cuius centrum est ubique, circumferentia vero nusquam – aus dem anonymen, bisweilen Hermes Trismegistos zugeschrieben Liber XXIV philosophorum verstärkt. Der zitierte Satz verband beispielsweise in der 1614 erschienen Fama Fraternitatis mit den Worten: Worinnen es Plato, Aristoteles, Pythagoras und andere getroffen, wo Enoch [Es bestand häufig eine Identifikation von Enoch mit Hermes Trismegistus], Abraham, Moses, Salomo den ausschlag geben, besonders wo das grosse Wunderbuch der Biblia concordiret, das kömmet zusammen und wird eine sphera oder globus, dessen omnes partes gleich weite vom Centro.[2] Hermes Trismegistos mit einer Kugelmetapher. In dieser Rezeptionslinie fanden sicherlich auch die Bilderfindungen zur Ikonographie des Hermes Trismegistos in den Verlagen Johann Theodor de Bry und Lucas Jennis ihren Ausdruck.

Der 1616 im Verlag Johann Theodor de Bry in Oppenheim erschienene und postum aus dem Nachlass Jean Jacques Boissards (1528-1602) herausgegebene Tractatus posthumus de divinatione et magicis praestigiis beinhaltet eine solche Darstellung des Magiers und Erfinders der Alchemie. Das dem Hermes Trismegistos gewidmete Kapitel, welches ihn unter Berufung auf die Kirchenväter als prophetischen Mercurius Termaximus preist, wird von einer Illustration begleitet, die den Weisen ganzfigurig in orientalischem Habit gekleidet zeigt. Umgeben von militärischen Trophäen,[3] hält Hermes Trismegistos in der Linken ein Buch, mit seinem ambitionierten Blick fixiert er die in seiner Rechten befindliche Armillarsphäre. Diese versteht sich in dieser Illustration, die nach Ausweis des Titelblattes von Johann Theodor de Bry stammt, lediglich als schmückendes Ornament und weniger als spezifisches Attribut, da sie auch in Darstellungen weiterer behandelter Persönlichkeiten der Publikation, insbesondere bei Thyodamas und Apollonius von Tyana, auftaucht. Allerdings erreicht gerade diese Gestaltung De Brys ikonographischen Modellcharakter innerhalb der Frankfurter Verlage, wie auch an der Hermesfigur im von Merian d.Ä. gestochenen Titelblatt für das Antidotarium (1620) abzulesen ist. Zweifellos müssen Boissards noch zu Lebzeiten vorgetragenen Bildvorschläge – ad vivum – für Zustimmung gesorgt haben, da er dieselben ausgehend von – Gemmen, Marmorbildern und Tafeln – also von historischen Bildquellen ableitete.[4] Eine dirketes ikonographisches Vorbild scheint das berühmte Fußbodenmosaik im Dom von Siena gewesen zu sein, für das Giovanni di Stefano in den 1480er Jahren den Entwurf geliefert hat (Abb.> und >).

Die traditionsbildende Rolle des gelehrten Antikensammlers für die Realisierung verschiedener Bebilderungsprojekte im Verlag De Bry ist noch längst nicht abgesteckt. Auffällig ist, dass sich De Bry – im Gegensatz zum Usus des Verlags – im Titelfeld von De divinatione als Stecher nennt. Antoine Faivre hat überdies vermutet, dass die neuartige selbstbewusste, nahezu herausfordernde Inszenierung des Hermes Trismegistos mit der ab 1614 laufenden Demontage der Authentizität des Corpus Hermeticum als angeblich vorbiblischer Text korreliert.[5]

Entsprechend wiederholt sich in der 1617 im Verlag Jennis in Frankfurt erschienen Symbola aureae mensae duodecim nationum, in welcher der Arzt und Alchemist Michael Maier durch Berufung auf zwölf herausragende Weise aus unterschiedlichen Nationen eine Art genealogische Geschichte der Alchemie schreibt, die Darstellung in ähnlicher Weise. Einerseits zeigt das Titelkupfer, dessen Urheber unbekannt ist, Hermes aegyptius an erster Stelle der Kette der Weisen oberhalb der aurea mensa (Goldene Tafel) mit der Armillarsphäre. Des Weiteren stellt auch der Kupferstich, der dem ihm gewidmeten ersten Kapitel vorangestellt ist, dieses Attribut in der Rechten des Hermes Trismegistos dar. In der Haltung ähnlich der Darstellung Boissards ist die Kleiderstaffage des orientalisch gekleideten Magiers jedoch lockerer und spiegelverkehrt angelegt. Der Blick des Hermes Trismegistos richtet sich direkt auf den Betrachter, während er mit seiner ausgestreckten Linken auf eine Versinnbildlichung der ersten Sätze der Tabula smaragdina, deren emblematische Zeilen oberhalb der Darstellung zu lesen sind, verweist. Das dort gezeigte Symbol der Bipolarität stellt die Sonne als Vater (Sulfur) und den Mond als Mutter (Mercurius) dar, vereint im Prozess der Chymischen Hochzeit. Die emporgestreckte Armillarsphäre erinnert in diesem Kontext an die kosmische Magia naturalis und deren unverzichtbaren Einfluss für das Opus magnum. Maiers Rezeption eines zeitgenössisch stark kritisierten Bildes des Hermes Trismegistos zur Legitimation seiner Ansichten erklärt sich aus dem zugehörigen Kapiteltext, welcher ebenfalls zu Teilen von Boissards Traktat übernommen wurde. Maier versteht die hermetischen Texte nicht als Offenbarungsschrift und entsagt sich ihrer christologischen Ausdeutung. Hermes Trismegistos wird in der Rolle des mythischen Gründungsvaters der Alchemie als metaphorischer Naturphilosoph erkannt, dessen hermetische Texte als philosophischere Variante der christlichen Religion dargestellt werden.

In diesem Sinne ist der Weise auch in Michael Maiers 1617/18 im Verlag De Bry in Oppenheim erschienenem alchemisch-naturphilosophischen Andachtsbuch Atalanta fugiens stetig präsent. Maiers mythoalchemische Synthese von Musik, Bild und Schrift wird durch 50 Embleme des Matthäus Merian d.Ä. begleitet. Emblem XXI zeigt dabei die Rückenfigur des Pansophen, der sich dem Opus magnum der Alchemie – dieses Mal in Form der Quadratur des Kreises in Analogie zur Forderung nach der alchemischen Vereinigung der Gegensätze – annimmt. Die Inscriptio besagt sinngemäß ins Deutsche übersetzt: Aus Mann und Frau fertige dir einen Zirkel, daraus ein Quadrat und aus diesem wieder ein Dreieck. Schlage einen Kreis und du hast den Stein der Weisen. Im Epigramm wird präzisiert: Das Dreieck soll den umgebenden Kreis mit allen Eckpunkten berühren. Wenn du auch ein solch großes Vorhaben nicht gleich begreifst, dann wirst du doch alles wissen, wenn du die Lehre der Geometrie verstehst.[6] Durch den Zirkel in der Hand des Pansophen wird dieser zu einem Geometer beziehungsweise zum secundus deus, der versucht, den Kosmos durch konstruktive Transparenz für die menschliche Vernunft erschließbar zu machen. Allerdings versinnbildlicht das Emblem die Unmöglichkeit der Geometrie und zeigt gleichzeitig die Größe der Naturphilosophie und damit der Alchemie. Der beschriebene Prozess geht auf Hermes Trismegistos zurück, dessen Darstellung in Emblem XXI aufgrund des orientalisierenden Gewandes durchaus anzunehmen, jedoch durch die Abwesenheit der Armillarsphäre oder einer Andeutung der Tabula Smaragdina nicht eindeutig zu belegen ist.

Saskia Gericke (2021)


Literatur

VD17 23:291341V

De Jong 1969, S. 166-176; Yates (1972) 2002, S. 115f.; Klossowski de Rola 1988, S. 105-116; Böhme 1993; Böhme/Böhme 1996, S. 250-254; Faivre 1995, S. 127-180; Neugebauer-Wölk, Monika (Hg.), Aufklärung und Esoterik, Hamburg 1999, S. 14-16; Bachmann/Hofmeier 1999, S. 59f.; Warlick 1999, S. 109-136; Ebeling Diss. Universität Heidelberg 2001, bes., S. 347-360; Ebeling in Trepp 2001, S. 63-80; Gilly, Carlos, Katalogeintrag Boissard, Tractatus posthumus de divinatione, in Akat. Magia 2002, Bd. 2, S. 100-102, Nr. 29; Szőnyi 2003, S. 316f.; Ebeling 2005; Biedermann 2006, S. 89 (Symbola aurea), S. 114 (Atalanta fugiens); Mönig, Klaus, Zenons glücklicher Schiffbruch am Felsen der Weisheit. Eine stoische Allegorie im Dom zu Siena, in: Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik, 1, Berlin 2008, S. 487-500; Vollmer 2010, bes. S. 143-150; Wels 2010, S. 149-194; Oosterhoff, Richard J., Learned Failure and the Untutored Mind. Emblem 21 ofAtalanta fugiens>, in: Bilak/Nummedal; Bilak/Nummedal 2020 passim

Endnoten
  1. Vgl. Ebeling 2001, S. 347. Vgl. auch: Ebeling 2005, S. 121.

  2. Zit. Wels 2010, S. 180. – Verstärkte Verbindung zu der Mikro-Makrokosmos-Analogie findet sich weiterhin in der Rezeption des 1616 veröffentlichten Wohlmeinenden Bedencken/ Von der Fama, vnd Confession der Brüderschaft deß RosenCreutzes des Andreas Libavius, die im 28. Kapitel vermittelt: Wer den Grund dieses Ruhms (der Philosophie der Rosenkreuzer) verstehen wil/ hat den nächsten Weg darzu/ daß er im Pimandro vnd Asclepio Hermetis Trismegistis: Item Philosophia Sagace Paracelsi, vnnd Praefation deß Crollii in seiner Basilica lese/ da wird er finden/ wie der Microcosmus sol auß dem Macrocosmo gezogen seyn: Also daß/ wer den Microcosmum verstehet/ der wisse alles was im Macrocosmo ist/ vnd diß auch von Gott/ vnnd Engeln/ vnnd Teufeln zuverstehen. Magnum enim miraculum et Deus tertius est homo, wie Hermes wil. Da habt jhr das Centrum, radios, peripheriam, vnd Mittel spacia alle beysammen. Zit. nach Wels 2010, S. 180. Dort auch zum weiteren Kontext.

  3. Unter ihnen auch eine Ausformung des Caduceus, welcher auf die göttliche Gestalt Mercurius des Weisen hinweisen könnte. Vgl. Faivre 1995, S. 135.

  4. Gilly, Carlos, Katalogeintrag Boissard, Tractatus posthumus de divinatione, in Akat. Magia 2002, Bd. 2, S. 100-102, Nr. 29. De Bry und Boissard arbeiteten von 1597 bis zu Boissards Tod zusammen.

  5. Dazu auch Neugebauer-Wölk 1999, S. 14-16. Die Demontage geschah mit der Publikation Isaac Casaubons Untersuchung des CH von 1614 – De rebus sacris et ecclesiasticis exercitationes XVI.

  6. Beides übernommen aus Vollmer 2010, S. 145.