Merian, Emblem mit Salamander, Buch Lambspring, 1625

Matthäus Merian d.Ä., Salamander, Emblem X, in: Lambspring. Das ist: Ein herzlicher Teutscher Tractat vom Philosophischen Steine, in: Johannes Rhenanus (Hermannus Condeesyanus) (Hg.), Dyas chymica tripartita, Frankfurt: Lucas Jennis 1625, S. 107, UB Frankfurt, Sign. 8° P 194.6015

Figur X des spätmittelalterlichen Lambspring-Traktats thematisiert den letzten Schritt im Herstellungsprozess des Steins der Weisen, bei dem das Werk durch den Alchemisten vervollkommnet wird. Den charakteristischen Tier-Allegorien des Traktats entsprechend wird dieser letzte Schritt durch das Töten des im Feuer lebenden Salamanders symbolisiert, dessen Blut in Lambsprings Lehrgedicht für den vollendeten Stein, bzw. ein Elixir der Unsterblichkeit, der universellen Heilung und Weisheit steht.[1]

Matthäus Merians 1625 in den beiden Sammelwerken Dyas chymica tripartita und Musaeum hermeticum abgedruckte Illustration zu Figur X zeigt einen bärtigen Mann im Lendenschurz, der vor einer Landschaftskulisse mit Hügeln, Fluss und Burg den Salamander mit einem Dreizack im Feuer bearbeitet. Die zahlreichen Flammen streben rings um den zentral liegenden Salamander nach oben und zu den Seiten, jedoch überschneiden sie sich nicht mit seiner Körperkontur. Dies könnte ein Mittel sein, um die Unverwundbarkeit des Wesens durch Feuer darzustellen. Holzstücke und Äste in- und vor den Flammen verdeutlichen, dass das Feuer von menschlicher Hand entfacht wurde. Die aufsteigenden, im Bild sehr prominenten Rauchschwaden modelliert Merian kontrastreich und dreidimensional mit kurzen, geschwungenen Linien. Auffällig ist, dass die Radierung nicht das im zugehörigen Text als zentralen Aspekt genannte Blut des Salamanders zeigt. Während Merians Lambspring-Illustrationen sich generell deutlich erkennbar an unterschiedlichen illuminierten Manuskripten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts orientieren, weicht seine Salamander-Darstellung stärker als die übrigen von diesen ab. Die fünf erhaltenen Vorgängermanuskripte zeigen den Salamander als weißen Vogel (vermutlich basierend auf der Beschreibung des Wesens im spätmittelalterlichen Bestiaire d’Amour des Richart de Fournival[2]), doch Merian stellt den Salamander als Echse, ähnlich einem realen Feuersalamander, dar. Damit orientiert er sich an der in alchemistischen Druckwerken seiner Zeit üblichen Ikonographie, die zeitgenössischen Betrachtern sicher vertrauter war.

Merians Salamander weist als auffälliges Merkmal einen Streifen von Sternen auf, der den Rücken des Wesens entlang verläuft und durch die frontale Aufsicht auf das Tier betont wird. Es handelt sich um eine vermutlich auf eine Beschreibung des Wesens durch Plinius zurückgehende Darstellungsart[3], die spätestens seit Mitte des 15. Jahrhunderts in den Illustrationen vorrangig naturkundlicher Schriften anzutreffen ist[4], seit Conrad Gessners Gegenüberstellung mit dem realitätsgetreuen Bild eines Salamanders und ihrer Bezeichnung als ‚figura falsa‘ (Icones animalium, 2. Auflage, 1560)[5] jedoch nur noch in Werken der Alchemie oder der Emblemkunst auftritt, wenn der Salamander als Symbol fungiert. Diese symbolisch aufgeladenen Salamander werden stets von Feuer umgeben gezeigt, um ihre Unangreifbarkeit durch dieses zu betonen. Ein Beispiel dafür ist das 1581 von Adriaen Collaerts gestochene Titelkupfer der Reihe Septem Planetae (Abb.>). Merian selbst stellt ebenfalls bereits 1617 für das Emblem XXIX (Abb.) der Atalanta fugiens den von Flammen eingefassten Salamander mit sternförmigem Rückenmuster dar.[6] Das zu den Seiten wegstrebende Feuer und die Musterung bildet er 1625 in der Lambspring-Illustration erneut in ähnlicher Weise ab. Allerdings führt er hier auch neue Bildelemente ein: die Körper- und Kopfform des Salamanders und die kurzen Gliedmaßen erinnern stärker als bei der älteren Illustration an das reale Tier. Vergleichbar erscheint aus früheren alchemistischen Druckwerken nur die kleine Silhouette eines Salamanders vor dem Feuer auf dem von Aegidius Sadeler gestochenen Titelkupfer zu Oswald Crolls Basilica chymica aus dem Jahr 1609. Die von Merian stammenden Titelkupfer des 1620 erschienenen Werks Antidotarium medico-chymicum reformatum von Johann Daniel Mylius und des Musaeum hermeticum zeigen ebenfalls die von Flammen umgebene Silhouette eines Salamanders direkt von oben und orientieren sich vermutlich am Stich der Basilica chymica. Vielleicht aufgrund der geringen Größe sind auf diesen Stichen keine sternförmigen Rückenzeichnungen zu sehen. Bei seiner Lambspring-Darstellung zeigt Merian als erster Illustrator den alchemischen Salamander mit den arttypischen hervorstehenden Augen und der runden Schnauze. Das Wesen vereint somit Elemente der typischen Darstellungen des realen- und des mythologischen Salamanders. Auf diese Weise fügt es sich in Merians realitätsnahe Landschaftsdarstellung ein; die Szene erscheint in sich selbst glaubwürdig. Gleichzeitig deuten der Sternenstreifen auf dem Rücken und die Größenverhältnisse an, dass es sich nicht um einen Feuersalamander als reales Tier, sondern um den symbolischen Salamander handelt.

Und noch ein weiteres Bildelement unterstreicht die große Gabe Merians, die alchemische Ikonographie für das ästhetisch gebildete Bildpublikum zu modernisieren: Während die vorbildlichen Lambspring-Handschriften (Abb.> oder >) den Alchemisten am Athanor in zeitgenössischer Kleidung zeigen, hat Merian die Figur des auffällig muskulären Feuerarbeiters augenscheinlich der niederländischen Kunst im Umkreis des Jan Brueghel d.Ä. entlehnt. Wie in Brueghels Allegorie des Feuers, die eindeutig die Verbindung zur Alchemie ins Bild setzt, zeigt Merian, dass Kraft und Körperbeherrschung helfen, die transformative Hitze des Feuers zu nutzen.

Katja Lehnert (2021)


Literatur

Wüthrich Bd. 2, 1972, Nr. 77, S. 96; VD17  14:647009G

Buntz 1969; Fierz, Heinrich-Karl, The Lambspring figures, in: The well-tended Tree. Essays into the Spirit of our Time, hg. von Hilde Kirsch u.a., New York 1971, S. 143-158; Putscher 1973, S. 71-76, 113f.; Dies. 1983, S. 38; Telle, Joachim, Lamspring, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 5, 2., neu bearbeitete Auflage, Berlin u.a.O. 1985, Sp. 524-530; Neugebauer 1993, Nr. 239.2, S. 309f.; Völlnagel 2012, S. 183; Lehnert 2023 (2019), bes. S. 68-80; Wels Alphidius und Lamspring 2021

Online-Exemplar UB Frankfurt

Endnoten
  1. Lambspring in Dyas chymica tripartita 1625, S. 106.

  2. Lehnert 2023 (2019), S. 70 ff.

  3. Sicut salamandra, animal lacerti figura, stellatum, numquam, nisi magnis imbribus, proveniens, & serenitate deficiens. Caius Plinius Secundus: Naturalis Historiae, Liber VII, in: Caii Plinii Secundi Historiae Naturalis Libri XXXVII, hg. von Jean Hardouin, Biponti (Zweibrücken) 1783, S. 235 [http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/schopenhauer/content/pageview/7921159, 22.10.19]. Es ist nicht auszuschließen, dass Plinius mit stellatum lediglich die gelben Flecken des Tiers und keine tatsächliche Sternform meint.

  4. Z.B. Bernhard von Breydenbach, Peregrinatio in terram sanctam, Mainz 1486 (Zentralbibliothek Zürich, Rb 51), S. 254, https://www.e-rara.ch/zuz/content/pageview/18835061 [20.10.19].

  5. Conrad Gessner, Icones animalium quadrupedum viviparorum et oviparorum […], Zürich 1560 (ETH-Bibliothek Zürich, Rar 9734: 3 GF), S. 119, https://www.e-rara.ch/zut/content/pageview/3159798 [10.11.19].

  6. Michael Maier, Atalanta fugiens, hoc est, emblemata nova de secretis naturae chymica, accommodata partim oculis & intellectui, […], Oppenheim 1617, S. 109, https://www.e-rara.ch/cgj/content/pageview/1906104 [09.10.19]