Alchimia – Die Güldene Kunst Selbst / Oder Aller Künsten Gebärerin

hier gezeigt Conterfaytung deß Hermetis Trismegisti, in: Giovanni Battista Birelli, Alchimia nova. Die Güldene Kunst Selbst/Oder Aller Künsten Gebärerin, […] auß dem Italianischen […] durch Petrum Uffenbachium der Artzney D. vnd bestälten Medicum in Franckfurt. Mit schönen und nohtwendigen Figuren, Frankfurt: Zacharias Palthenius und Niclas Hoffmann 1603, S. 292, UB Frankfurt, Sign. Occ. 989, hier gezeigt Exemplar (Neuausgabe von 1654) BSB München, Sign. Res/4 Alch. 8

Der Frankfurter Stadtarzt Peter Uffenbach (1566-1635) übersetzte Giovanni Birellis (gest. 1619) Alchimia nova, die 1601 in Florenz mit dem Titel Opere nel qual si tratta dell’ alchimia erschienen war.[1]Opere di Giovambatista Birelli. Tomo primo, nel qual si tratta dell’alchimia, suoi membri, utili, curiosi & dilettevoli. Con la vita d’Hermete, con due tauole, l’una de’ … weiterlesen Ein längerer Studienaufenthalt in Padua half Uffenbach bei seiner Aufgabe als Übersetzer.[2]In der Widmung an Johann Casten, Buergern in Franckfurt/ Hessischen Marpurgischen Bergk Verwaldtern distanziert sich Uffenbach etwas unbeholfen von den vorgetragenen Inhalten des Kunstbuechlein(s) … weiterlesen Im Titel wird gesagt, Alchemie sei Die Güldene Kunst Selbst/Oder Aller Künsten Gebärerin (in anderen Ausgaben Mutter)/Sampt dero heimlichen Secreten, vnzehlichen verborgenen Kindern vnd Früchten/Von allerley Alchimistischen vnnd Metallischen Geschäfften, Wässern vnnd Oelen, Bereytungen der Kälck, der Kunst […] Silber vnnd Gold zumachen Edelgesteinen, Leymen, Mixturen und Spiegeln, den Saltzen der Farb- und MahlKunst, auch sonst vielen lustigen kurtzweiligen Künsten.[3]Insbesondere zur Malkunst vgl. ebd. Elffte Buch, S. 466ff. Zur Relevanz der Publikation für mal- und kunsttechnologische Fragen siehe Schießl, Ulrich, Die deutschsprachige Literatur zu Werkstoffen … weiterlesen

Zu Beginn der Vorrede erläutert der Sienese Birelli die Wirkung der ‚unauflöslichen und unzertrennlichen Kette‘, die die Geschöpfe und erschaffenen Werke Gottes miteinander in Harmonie verbinden würde. Aus dieser Kette – die auch in Merians Alchemischer Weltlandschaft zu sehen ist – entspränge die Magie, die allerdings scharf in zwei Arten unterschieden werden müsse. Birelli schreibt: Magie […] als welche da nichts ist/ als eine Investigation oder Nachforschung der natuerlichen verborgenen Dinge/ und wird fuernemblich in Zweyerley unterscheiden/ als da die eine ein lautere Zauberey/ voller Aberglauben von dem leidigen Teuffel herruehret/ und derowegen in Gottes heiligem Wort hoechlich verbotten ist […] die andere aber ist natuerlich/ unnd das koestliche Perle/ der tewere und wehrte Schatz/ unnd das unerschaetzlich Kleinot/ so von Maenniglichen in der gantzen Welt/ sonderlich aber von den Gelehrten so hoch geehret wird.

Nachdem der Autor die natürliche Magie der Gelehrten, darin inbegriffen die Astrologie und die Alchemie, von der teuflischen Zauberei abgesetzt hat, betont er weiterhin den Status der Alchemie als warhafftige Wissenschaft, die nicht lediglich Ars oder Kunst, sondern rationale Weisheit sei und zu gleichen Teilen aus Geistlichen oder himmlischen Dingen bestünde. Die erstrebte Perfection der ersten Matery/ prima Materia solle unter dem Dach der Trinität von Gott Vatter/ Sohn/ un[d] H. Geist vereint sein, was den Bezug zwischen Christentum und Alchemie unterstreicht. Im italienischen Titelblatt von 1601 thront aus diesem Grund Maria mit dem Christusknaben in einer mit Bandelwerk geschmückten barocken Kartusche – direkt zwischen Armillarsphäre und Athanor – über der Titelei. Die materielle und spirituelle Alchemie, begründet von Hermes Trismegistos, wird unter das Patronat der christlichen Heilsgeschichte gestellt (Abb.>).

Konkrete Bezüge zur christlichen Lehre sucht man im Kunstbuch vergeblich, es gibt vor allem bunt gemischte praktische Hinweise zur Destillation, der Errichtung von Öfen zur Herstellung von Aurum potabile (Trinkgold) bis hin zu kosmetischen Tricks gegen Hautalterung. Im Elfften Buch lässt sich Birelli über den Nutzen der Alchemie für die Herstellung der Malfarben aus,[4]Giovanni Battista Birelli, Alchimia Nova, Frankfurt: Niclas Hoffmann 1603, Elfftes Buch, S. 466ff. die die Malerei seiner Zeit über jene der Vorfahren hinausheben würde. Lebendige Bilder kämen aufgrund der guten Farben zustande. Komplettiert werden die zahlreichen Rezepte unter anderem von differenzierten Bemerkungen über die naturmagische Wirkung der Edelsteine sowie bezüglich der Frage Was man fuer Bilder und Conterfaytungen in die Edelgesteine graben solle. Bilder des Merkurius solle man in Amethyst, Bildnisse zum Schutz vor Schlangenbissen in Achat und Löwen, Adler, Siegeszeichen oder Brustharnische in Jaspis schnitzen. Interessant und treffend ist Birellis Hinweis, dass vor allem die Juweliere eine derartige naturmagische Bildauffassung mündlich tradierten.

Auch im übersetzten Buch befinden sich Holzschnitte, darunter die Ware und eygentliche Conterfaytung deß Hermetis Trismegisti […] deß fürtrefflichen Philosophi, und Hertzogen aller Alchimisten mitsamt einer Beschreibung deß gantzen Lebens.[5]Giovanni Battista Birelli, Alchimia Nova, Frankfurt: Niclas Hoffmann 1603, S. 292 und 725ff., hier Zitate S. 292 und 725. Dabei wird die Gelegenheit genutzt, die naturmagischen Grundfesten des sagenhaften Erfinders der Alchemie zu erläutern, indem frei aus dessen Tabula smaragdina zitiert wird: Dieses ist die gruendliche Warheit und kein Schertz/ daß das unterste ist wie das oeberste/ und das oeberste wie das unterste/ die Wunder eines Dinges zuerforschen/ un[d] wie alle Dinge durch Mittel eines andern an einem einzigen hangen/ also haben auch alle erschaffene Dinge ihren Ursprung durch die Adoption von diesem eintzigen.[6]Giovanni Battista Birelli, Alchimia nova, Frankfurt: Niclas Hoffmann 1603, S. 293. Vom Volk zuerst zum Priester, dann zum Koenig erwehlet war Hermes Trismegistos nicht nur Städtegründer und Vielschreiber, sondern überdies tätig als Astrologe mit wissenschaftlicher Grundlage und forschet den Heimlichkeiten der Natur gewaltig nach. Er durchschaute die Prinzipien aller Dinge und beherrschte alle Kuenste und Materien. Bemerkenswert ist Birellis Information, dass der ‚dreimalgrößte Hermes‘ die Weisheit uber alle Waffen lieb hatte.[7]Giovanni Battista Birelli, Alchimia Nova, Frankfurt: Niclas Hoffmann 1603, S. 726ff. Besonders der Heilige Augustinus oder der Augustinermönch Ambrogio Calepino schätzten nach Angaben Birellis die hermetischen Schriften, Denn in demselbigen erweiset er sonderlich/ daß nur ein Gott/ Schoepfer und Erhalter aller Dinge sey/ dessen Weisheit unergruendtlich/ unerforschlich/ und ohn alles Ende sey. Die Rede ist hier vom Corpus hermeticum, das Marsilio Ficino (1433-1499) im 15. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt hatte. Der Philosoph, Naturmagier, Astrologe und Alchemist Hermes dichtet und forschet den Geistlichen Sachen Tag unnd Nacht nach, was ihn seit der Spätantike und besonders im Rahmen des christlichen Hermetismus zum prophetischen Künder des Christentums machte. Das berühmte Fußbodenmosaik im Dom von Siena zeigt Hermes Trismegistos entsprechend in einer Reihe mit den neun Sibyllen (Abb.>).[8]Ebeling 2005, S. 89-91. In der Conterfaytung des Naturmagiers in der Alchimia nova sind dem Porträtierten Schwert und Weihrauchgefäß beigegeben. Das Schwert steht als typisches Attribut für die Scheidekraft des Feuers, aber zugleich für die gesetzgebende Autorität des Dargestellten. Das Weihrauchgefäß ist als ein Hinweis auf die spirituelle Komponente und die magischen Rituale der Alchemiker zu verstehen.

Zwar an der Originalausgabe orientiert, erreichen die Frankfurter Holzschnitte nicht die Qualität, Motivvielfalt und Präzision der italienischen Druckgraphiken von 1601. Belebendes Personal, perspektivische Raum- und Bildfluchten und ebenso detailfreudig geschildertes Interior wurden getilgt. Augenscheinlich orientieren sich einige technische Illustrationen der monumentalen Alchymia-Ausgabe des Andreas Libavius (1606) mit ihren Darstellungen von Öfen und Destillierapparaten an den etwas älteren Alchemica illustrata von 1601 und 1603. Nicht nur Libavius hat sich Birellis reich bebildertes Alchemie-Buch zum Vorbild genommen, auch Matthäus Merians Titelblatt für Daniel Möglings Rosenkreuzerschrift Speculum sophicum rhodo-stauroticum (1618) (Abb.>) übernimmt einzelne Bildelemente und Motive des originalen, von Alamannus Lafrius(?) entworfenen Titelblattes (Abb.>), was den für die alchemische Bildgeschichte relevanten Kunst- und Motivtransfer aus Italien vor Augen führt.[9]Vgl. das Exemplar in der Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze (BNCF) (Brüning 2004, Nr. 756). Bei dem Entwerfer könnte es sich um Antonius Alamannus handeln. Freundlicher Hinweis Bärbel Wagner.

Die Alchemie, so betonte Uffenbach, läge außerhalb seiner Profession und Facultet, dennoch scheint sich sein Interesse für diese Materie in der Familie fortgesetzt zu haben. Sein Schwiegersohn Johann Berner (gest. 1632) brachte als einer der ersten Frankfurter Verleger 1615 und 1617 verschiedene Rosenkreuzermanifeste, Zeugnisse der spirituellen Theoalchemie um 1600, heraus. Außerdem vermittelte Berner den Briefkontakt zwischen den Rosenkreuzerverteidigern Daniel Mögling und Johnn Faulhaber[10]Neumann 1995, S. 105., mit denen auch Matthäus Merian d.Ä. mehrfache Berührungspunkte hatte. Wie Merian, Lucas Jennis oder Cornelius Drebbel und Robert Fludd verewigte sich Peter Uffenbach in Daniel Stoltzius von Stoltzenbergs alchemischem Album amicorum (Abb.>).

Berit Wagner (2021)


Literatur

Brüning 2004, Nr. 789 (Neuausgabe 1654 Nr. 1852)

Thorndike 1958, S. 157, 251

Online-Exemplare ÖNB Wien, SLUB Dresden

Endnoten
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1 Opere di Giovambatista Birelli. Tomo primo, nel qual si tratta dell’alchimia, suoi membri, utili, curiosi & dilettevoli. Con la vita d’Hermete, con due tauole, l’una de’ capitoli & l’altra delle cose notabili, Fiorenza: Appresso Giorgio Marescotti 1601>; Brüning 2004, Nr. 756.
2 In der Widmung an Johann Casten, Buergern in Franckfurt/ Hessischen Marpurgischen Bergk Verwaldtern distanziert sich Uffenbach etwas unbeholfen von den vorgetragenen Inhalten des Kunstbuechlein(s) beziehungsweise beruft er sich auf seine Aufgabe als Übersetzer, da er selbst nicht vom Fach, aber von vielen Seiten zur Verdolmetschung angehalten worden sei. Die Alchemie, so Uffenbach, läge außerhalb seiner Profession und Facultet, anders herum verhielte es sich mit der Bildung des Widmungsempfängers. – Bei Johann Kast (Gernsbach 1556-1627, ab 1586 in Frankfurt) handelt es sich um einen vermögenden Holzhändler, der spätestens ab 1613 auch Ratsherr und Schöffe war. Seine Mutter war eine Nichte Philipp Melantchons. Dazu vgl. Bothe, Friedrich, Frankfurts wirtschaftliche Entwicklung vor dem Dreissigjährigen Kriege und der Fettmilchaufstand (1612-1616), zweiter Teil: statistische Bearbeitung und urkundliche Belege, Frankfurt 1920, hier S. 91; Dietz, Alexander, Frankfurter Handelsgeschichte, Frankfurt 1919, Bd. II, S. 83, 85, 366. Freundlicher Hinweis Andrea Hansert, Frankfurt.
3 Insbesondere zur Malkunst vgl. ebd. Elffte Buch, S. 466ff. Zur Relevanz der Publikation für mal- und kunsttechnologische Fragen siehe Schießl, Ulrich, Die deutschsprachige Literatur zu Werkstoffen und Techniken der Malerei von 1530 bis ca. 1950, Worms 1989, S. 67, Nr. 15; https://www.rdklabor.de/wiki/Firnis
4 Giovanni Battista Birelli, Alchimia Nova, Frankfurt: Niclas Hoffmann 1603, Elfftes Buch, S. 466ff.
5 Giovanni Battista Birelli, Alchimia Nova, Frankfurt: Niclas Hoffmann 1603, S. 292 und 725ff., hier Zitate S. 292 und 725.
6 Giovanni Battista Birelli, Alchimia nova, Frankfurt: Niclas Hoffmann 1603, S. 293.
7 Giovanni Battista Birelli, Alchimia Nova, Frankfurt: Niclas Hoffmann 1603, S. 726ff.
8 Ebeling 2005, S. 89-91.
9 Vgl. das Exemplar in der Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze (BNCF) (Brüning 2004, Nr. 756). Bei dem Entwerfer könnte es sich um Antonius Alamannus handeln. Freundlicher Hinweis Bärbel Wagner.
10 Neumann 1995, S. 105.