Titelblatt und Embleme in Libavius Alchymia, 1606

Georg Keller, Titelblatt für Andreas Libavius, Alchymia, Frankfurt: Peter Kopff 1606 und Alchemisches Emblem in Commentariorum alchymiæ, in: ebd., Teil II, De lapide philosophorum, Tractus IV, S. 51, UB Frankfurt, Sign. Occ. 29

Die Alchymia gilt als erstes alchemistisches Lehrbuch der Frühen Neuzeit. Darin systematisierte der in Halle geborene Arzt, Universitätsgelehrte und zeitweise Stadtphysikus von Rothenburg ob der Tauber Andreas Libavius (1555-1616) praktische Informationen über das damals bekannte Wissen zur (Al)Chemie. Unter anderem beschrieb er die Möglichkeit der Transmutation mit Verzicht auf hermetische Termini und die sonst üblichen strategischen Verschlüsselungen der alchemischen Geheimnisliteratur. Auf dieser Grundlage entwickelte sich die Alchymia für lange Zeit unteren anderem zur wichtigsten Lehrhilfe beim Studium der Chemie an medizinischen Fakultäten.[1] Als Libavius im Jahre 1606 zum Rektor des Coburger Gymnasiums ernannt wurde, erlebte sein erfolgreiches Lehrbuch eine zweite, nun reich bebilderte Auflage.

Libavius definierte Alchemie als die Kunst, aus gemischten Stoffen eine vollkommene, reine Essenz zu extrahieren. All dies ist für die Medizin, die Metallurgie und für den Alltag notwendig. Grundlegend war Libavius zumindest teilweise ein Anhänger der paracelsischen Lehre, obwohl er sich einigen Extremen der iatrochemischen Lehren und der Darstellung der Alchemie im astrologischen und spirituellen Kontext widersetzte. In seinem Kurs ging Libavius jedoch nicht auf theoretische Fragen ein, sondern skizzierte nur die für den im Labor tätigen Chemiker und den Praktiker wichtigen Informationen. Zudem propagierte er insbesondere die Produktion chemischer Arzneimittel.

Der in Frankfurt ansässige Entwerfer und Kupferstecher Georg Keller (1576-1634/40) hat das allegorische Titelblatt für die zweite Ausgabe der Alchymia von 1606 entworfen. Der obere Teil des Titelblatts stellt den hebräischen Gottvater-Namen von Engeln flankiert dar, der von Hermes Trismegistos (Kolben, Phönix) und dem Arzt Hippokrates (Palme) angebetet wird. Im mittleren Teil heben sich Aristoteles (Alchemie) sowie Galen (Medizin) hervor. Unterhalb der architektonischen Gliederung, die das Titelfeld mit den Autoritäten der medizinischen Alchemie flankiert, sieht man kleinteilige Szenen eines Krankenbesuches, die Mineraliengewinnung und die Transmutation in Bergwerk und Destillationen im Labor.[2] Selbstbewusst prangt Kellers Signatur GKeller im Bildfeld rechts unten, direkt auf der Mauerung eines alchemistischen Ofens, neben dem ein vornehm gekleideter Alchemist dem Prozess beiwohnt. Die Jahreszahl 1603, die Keller hinzugesetzt hat, zeigt, dass das Titelblatt schon einige Zeit vor der Publikation fertig war. Dem eingetragenen Besitzvermerk zufolge, hat der Frankfurter Arzt und Patrizier Johann Hartmann Beyer das Frankfurter Exemplar der Alchymia besessen und in seiner Bibliothek aufbewahrt.

Libavius war von der spirituellen Alchemie zwar weit entfernt, glaubte aber an das Opus magnum der Alchemisten und an die Herstellung des Lapis. Der vierte Traktat des Anhangs zeigt entsprechend eine Bilderfolge mit vier seitengroßen, voneinander unabhängigen, teils mit Legenden versehenen Diagrammen, die im Rahmen des Commentariorum Alchemiae den Stein der Weisen thematisieren. Unter dem Stichwort „De lapide philosophorum ist […u.a.] ein eigentümliches Gebilde zu sehen. Wie eine barocke Skulptur wirkt dieses komplexe, von unten nach oben zu lesende Bildzeichen, in dem codiert der Prozess zur Erlangung des Steins der Weisen dargestellt ist“(Abb.>).[3] Man sieht zwei Atlanten, die eine große, das Blatt dominierende Kugel halten. Außerdem stützt ein vierköpfiger Drache die mit alchemistischen Symbolen gestaltete Kugel. Zwei Äthiopier sitzen obenauf und halten mit einigem Kraftaufwand zwei wesentlich kleinere Kugeln in die Höhe. Zwischen diesen breitet ein Schwan seine Flügel aus, der eine weitere kleinere Kugel mit den Abbildungen der Sonne und des Mondes auf seinem Rücken trägt. Auf dieser vom Schwan getragenen Kugel prangt der nach oben strebende Phönix, das Feuersymbol, dem rechts und links eine Königin und ein König beigeordnet sind. Sie stellen die Vereinigung der gegensätzlichen Prinzipien dar. Das gesamte Diagramm ist als vertikaler Aufstieg zu lesen, von der Erde zum Himmel.[4]

Anastasiya Skalska (2021)


Literatur

VD17 39:125360T

Hartlaub 1959, S. 51, Abb. 49; Trenczack 1965, S. 331; Klossowski de Rola 1988, S. 45-51, 198; McLean, Adam, The alchemical mandala: a survey of the mandala in the Western esoteric traditions, Grand Rapids 1989, S. 62; Moran, Bruce T., Andreas Libavius and the Transformation of Alchemy. Separating Chemical Cultures with Polemical Fire, Sagamore Beach 2007, S. 63; Forshaw 2008; Telle 2013, S. 241, 243, 248; Laube 2014, Kat. Nr. 9; S. 198; Wels, Volkhard, Melanchthon’s Logic and Rhetoric and the Methodology of Chemical Knowledge in Libavius’s Alchymia, in: Natural Knowledge and Aristotelianism at Early Modern Protestant Universities, hg. v. Pietro Omodeo und Volkhard Wels, Wiesbaden 2019, S. 11-28

Online-Exemplar UB Frankfurt

Endnoten
  1. Forshaw 2008; Klossowski de Rola 1988, S. 45-51; Moran 2007.

  2. Hartlaub, 1959, S. 51.

  3. Laube 2014, Kat. Nr. 9, S. 198. Vgl. Libavius, Alchymia, 1606, Commentariorum alchymiae, Teil II, S. 51.

  4. Laube 2014, Kat. Nr. 9, S. 198.