Transformation Motiv Atalanta fugiens in Titelblatt Musaeum hermeticum, 1625

Matthäus Merian d.Ä., Rahmenmedaillon mit vierbrüstiger Natura, Detail von Titelblatt Musaeum hermeticum, Frankfurt: Lucas Jennis 1625, UB Frankfurt, Sign. 8° P 194.6013

Das eindrückliche Icon von Emblem XLII aus Maiers Atalanta fugiens transformiert Merian einige Jahre später in ein Rahmenmedaillon auf dem hochkomplexen Titelblatt für das Musaeum hermeticum. Die Übertragung des Motivs hat Merian bewusst vorgenommen, denn die Gestaltung des Titelkupfers war im optimalen Fall so gewählt, dass sie dem Leser bereits Hinweise auf den Inhalt des Buches eröffnete.

Zu sehen ist eine Frau, die einen nächtlichen Weg entlangläuft und dabei ihre Fußspuren hinterlässt. Hinter ihr auf dem Weg laufen, aufeinander- und ihren Fußspuren folgend, zwei Adepten, jeweils mit Brille, Laterne und Stock. Im Gegensatz zur Pictura in der Atalanta fugiens ist die Frauenfigur als vierbrüstige Personifikation der Natur dargestellt.[1] In ihrer linken Hand hält die Fruchtbarkeitsgöttin verschiedene Früchte. Anders als in der Atalanta fugiens hält sie nun in ihrer rechten Hand erhoben ein Hexagramm (Sigillum salomonis), das von einer Aureole umgeben und als ein Symbol für die vier Elemente und ihre Vermischung zu deuten ist. Dabei handelt es sich um einen Verweis auf Jean Perréals (1455/60-1530) Miniatur und Schrift La Complainte de la Nature à l’alchemiste errant (Abb.>), in welcher Natura dem Alchemisten beschreibt, dass es besonders darauf ankomme, die vier Elemente richtig zu vermischen.[2] Perréals Schrift war in Frankfurt gut bekannt, allerdings hielten Merian, Jennis und Maier den französischen Schriftsteller Johann de Mehung, eigentlich Jean de Meung,[3] der im 13. Jahrhundert den Rosenroman mit alchemischen Passagen versehen hatte, für den Verfasser der 1619 bei Jennis verlegten Klageschrift.[4] Schon für Lennep bestand kein Zweifel daran, dass die veränderte Darstellung der Frauenfigur eine direkte Anspielung auf die im Musaeum hermeticum enthaltene Schrift Demonstratio naturae des Pseudo-Johann de Mehung ist (Abb.).[5]

Sonja Gehrisch


Literatur

Lennep 1985, S. 220-223; Modersohn 1997

Endnoten
  1. Möglicherweise ein Verweis auf Diana bzw. Artemis von Ephesos, die ebenfalls seit der Antike als Vielbrüstige (multimammiam) dargestellt wurde und als Personifikation der Natura galt.

  2. Vgl. Modersohn 1997, S. 177.

  3. Zu Jean de Meung als alchemistischem Autor siehe Didier Kahn: Jean de Meun, in: Priesner/Figala 1998, S. 183ff.

  4. Perréal, Jean, La Complainte de Nature à l’alchimiste errant (1516) wurde in Frankfurt unter dem Namen Johann von Mesung (Mehung) publiziert als Beweiß der Natur welchen sie den irrenden Alchimisten thut, indeme sie sich uber den Sophisten und thoerichten Kohlenblaser beschweret, in: Wasserstein der Weysen, das ist, ein Chymisch Tractätlein […] Darbey auch zwey nutzliche andere Büchlein der Gleichformigkeit und Concordantz wegen angehenckt, Nemlich I. Iohann von Mesung, Frankfurt: Lucas Jennis 1619, S. 156ff. (Online-Exemplar der Stiftung der Werke von C.G. Jung siehe https://doi.org/10.3931/e-rara-8968).

  5. Johann de Mehung, Demonstratio Naturae, quam errantibus Chymicus facit, in: Musaeum hermeticum, Frankfurt: Lucas Jennis 1625, Traktat IV, S. 196ff. mit dem nochmals verwendeten Titelkupfer von Balthasar Schwan für Mylius, Philosophia Reformata, 1622. Siehe auch Lennep 1966, S. 219f.