Stoltzenberg, Viridarium und Chymisches Lustgärtlein, 1624

Titelblatt für Daniel Stoltzius von Stoltzenberg, Viridarium Chymicum figuris cupro incisis adornatum, et poeticis picturis illustratum […], Frankfurt: Lucas Jennis 1624, Stiftung der Werke von C.G. Jung (Zürich), Sign. CE 24

Titelblatt für Daniel Stoltzius von Stoltzenberg, Chymisches Lustgärtlein / Mit schönen in Kupffer geschnittenen Figuren […], übers. von Daniel Meißner, Frankfurt: Lucas Jennis 1624, SBB – PK, Sign. Mu 3171

Daniel Stoltzius von Stoltzenberg (1600-1644) entdeckte im Jahre 1622 bei Lucas Jennis, dem Verleger seiner ersten Epigrammsammlung Trias Hexastichorum, eine Reihe alchemischer Kupferstichserien, welche bereits in verschiedenen Publikationen des Verlages gedruckt worden waren. Jene Darstellungen – Figuren – entzückten den jungen paracelsischen Arztalchemiker nach eigener Aussage so sehr, dass er gedachte daraus ein […] Stamm: Freund: und Gesellenbuch zuverfertigen.[1] Dieses persönliche Stammbuch (=Album amicorum) hat sich bis heute erhalten und wird in der Universitätsbibliothek Uppsala aufbewahrt.[2]

Lucas Jennis, der sich als einer der Ersten in diesem Stammbuch ‚verewigen‘ durfte,[3] griff die Idee seinerseits auf und beauftragte den ‚Urheber’ Stoltzius Stoltzenberg, insgesamt 107 in Kupffer geschnittene[n] Figuren […] mit Poetischen Gemälden[4] (Figur I-CVII) zu versehen, sodass er ein gedrucktes Emblembuch veröffentlichen konnte. Während der Verleger in der üblichen Manier plante, die in der Herstellung teuren Kupferstichplatten erneut zu verwenden und durch die separate Ausgabe als Emblembuch Liebhaber dieser Literaturgattung anzusprechen, welche üblicherweise nicht als Käufer alchemistischer Publikationen auftraten, verfolgte Daniel Stoltzius von Stoltzenberg vielmehr das Ziel, dem Lesenden in komprimierter Form alchemistische Lehren zu vermitteln – seine Epigramme sollten keine bloßen intellektuellen Spielereien sein, welche dem Verleger zu einem guten Geschäft verhelfen sollten.[5] Jedoch wäre es vermessen, Lucas Jennis rein ökonomische Leitmotive zu unterstellen: Die schiere Masse alchemischer Veröffentlichungen im verlegerischen Œuvre legen nahe, dass er ein persönliches Faible für diesen Zweig der Naturphilosophie hatte.

Die Tatsache, dass die Bebilderung des Emblembuchs bereits feststand, erschwerte die Arbeit des Autors, da er weder auf den Inhalt ihrer Symbolik Einfluss nehmen noch sie seinen Vorstellungen anpassen konnte. Daher plante Stoltzenberg, sich an den Publikationen zu orientieren, aus denen die Figuren entnommen waren – er beabsichtigte, dieselben zu exzerpieren, Verhältnisse zwischen Bild und Text zu erläutern und in Motto und Epigramm zu verarbeiten. Das Vorhaben scheiterte jedoch: Die Kupferstiche (Figur XXXIII–XLIII), die der 1622 erschienenen Philosopia reformata des Johann Daniel Mylius entnommen waren, wurden im Originaltext nicht näher erläutert – die Illustrationen dienten somit einzig dazu, das Auge zu ‚erfreuen‘.[6] In Anbetracht dieser Komplikation sah sich Stoltzenberg dazu gezwungen, diverse Philosophische Schrifften[7] heranzuziehen und eigene Erklärungen zu verfassen, um dem Lesenden die Mühe abzunehmen, diese Texte selbst zu sichten. Er nahm die Figuren als ‚Inbilder‘ des tiefsten Sinnes wahr, als Kern dieser Schriften, in denen alles verborgen läge und deren Verständnis allein bereits für das Erkennen der Natur genüge. Aufgrund der in Versform verfassten Erklärungen wird der ohnehin poetische und enigmatische Charakter der Figuren verstärkt, und der eigentliche naturwissenschaftliche Sinngehalt – also die primäre Rechtfertigung für den Druck alchemistischer Kupferstichserien – verliert an Bedeutung.[8]

Das Viridarium Chymicum figuris cupro incisis adornatum, et poeticis picturis illustratum erschien 1624, ist im Quer-Oktavformat angelegt und umfasst insgesamt 229 nicht paginierte Druckseiten. Der Text ist in lateinischer Sprache verfasst. Jennis verfolgte die Umsetzung einer deutschen Parallelausgabe des Florilegiums. Er beauftragte Daniel Meißner (1585-1625) mit der Übersetzung, welche noch im selben Jahr unter dem Titel Chymisches Lustgärtlein / Mit schönen in Kupffer geschnittenen Figuren veröffentlicht wurde. Es ist fraglich, warum der Verleger den Auftrag ausgerechnet Daniel Meißner und nicht Daniel Stoltzius von Stoltzenberg übertrug. In der Forschung wird davon ausgegangen, dass letzterer entweder eine längere Reise plante und deswegen nicht die Arbeit ergriff, oder, dass eine Übersetzung, als candidatus medicinae, unter seiner Würde war.[9] Im Zuge der Übersetzung sah sich Meißner dazu gezwungen, die ursprünglich sechszeiligen Epigramme in zwölfzeilige Epigramme zu überführen um Inhalt, Stil, Stimmung und Ton des Originaltextes zu bewahren.

Sowohl das Viridarium Chymicum als auch das Chymische Lustgärtlein befinden sich gegenwärtig nur vereinzelt in den großen Sammlungen von Alchemica illustrata, daher gelten die Bücher als äußerst wertvoll. Noch heute finden die enigmatischen Darstellungen, welche Daniel Stoltzius von Stoltzenberg einst so entzückten, das Interesse von Autoren mit den unterschiedlichsten Intentionen.

Fabian Ohlenschläger (2021)


Literatur

Brüning 2004, Nr. 1416f.; VD17 23:296613D; VD17 1:712193W

Stoltzius von Stoltzenberg, Daniel, Chymisches Lustgärtlein, Frankfurt: Lucas Jennis 1624, übers. von Daniel Meißner, hg. u. komm. von Ferdinand Weinhandl, Darmstadt 1964; Trenczak 1965, S. 331f.; Biedermann 1973, S. 128-134; Karpenko 1973; McLean 1980; Telle 1980 a und b; Figala 1988, S. 348-350; Hild 1991, bes. Seite 53ff.; Telle, Joachim (Hg.), Rosarium Philosophorum. Ein alchemisches Florilegium des Spätmittelalters, Weinheim 1992; Neugebauer 1993, S. 124f.; Yates 1972 (2002); Wels 2010, S. 163f.; Telle, Joachim, Daniel Stoltzius von Stoltzenberg, in: Killy Literaturlexikon, Si-Vi, hg. von Wilhelm Kühlmann, Berlin 2011, S. 302f.; Karpenko, Vladimír, Daniel Stolcius and Emblematic Alchemy, in Akat. Alchemy and Rudolf II 2016, S. 719-739

Endnoten
  1. Daniel Stoltzius von Stoltzenberg 1624, Vorwort.

  2. Hild 1991, S. 3; Yates 1972 (2002), S. 123. Siehe Universitätsbibliothek Uppsala, Signatur Y 132 d. Online unter http://urn.kb.se/resolve?urn=urn:nbn:se:alvin:portal:record-103741.

  3. UB Uppsala, Stoltzenberg Stammbuch 1622-1628, Eintrag am im Jahre 1622, fol. 422v-423r.

  4. Daniel Stoltzius von Stoltzenberg 1624, Titelblatt.

  5. Hild 1991, S. 59.

  6. Ebd., S. 58.

  7. Daniel Stoltzius von Stoltzenberg 1624, Vorwort.

  8. Wels 2010, S. 163-164; Telle, Joachim, Daniel Stoltzius von Stoltzenberg, in: Killy Literaturlexikon, Si-Vi, hg. von Wilhelm Kühlmann, Berlin 2011, S. 302f.

  9. Hild 1991, S. 60.