Hexenbilder um 1600

© KHM-Museumsverband, Wien

hier gezeigt Frans II. Francken, Hexenversammlung, 1607 datiert, 56 x 83,5 cm, bez. links unten: DEN. JON fransis franckeN / fecit et INtor / 1607, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 1070

In der Zeit um 1600 finden sich insbesondere in der flämischen Kunst immer wieder Darstellungen sogenannter Hexen. Vor allem die Werkstatt des Antwerpener Malers Frans II. Francken (1581-1642) brachte zahlreiche Gemälde und Zeichnungen zu diesem Themenkreis hervor, die vorhandene Vorstellungen zu neuen formal und motivisch komplexen Szenen zusammenfügen und in ihrem Detailreichtum ohne Vorbild sind.[1]Vervoort 2015, S. 9. Eine der bekanntesten und umfassendsten Schilderungen ist das unter dem Titel Hexenversammlung oder Hexensabbat[2]Zur Entstehung des Begriffes Hexensabbat und seinen Hintergründen siehe Ginzburg 1993, S. 121-137. Zur Verbreitung des Motivs siehe Gruber 2013. bekannte minutiös gemalte Tafelbild aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, links unten signiert und mit 1607 datiert.

Den historischen Hintergrund für die Beliebtheit des Themas bildeten die zunehmenden Hexenverfolgungen in den südlichen Niederlanden unter habsburgischer Herrschaft im Zuge der Gegenreformation. 1606, also ein Jahr vor Entstehung des Bildes erließ das habsburgische Statthalterpaar Erzherzog Albert und Erzherzogin Isabella Clara Eugenia ein Edikt über das Hexenwesen. Die habsburgische Hexenverfolgung galt als essenziell für die Erhaltung der politischen, religiösen und sozialen Ordnung und Bilder wie jene von Francken unterstützten die kaiserliche Autorität.[3]Hults 2005, S. 109ff. Dem Künstler wiederum gelang es, mit diesem Bildthema seinerseits Wohlstand und Wertschätzung zu erlangen, indem er die Neugier seines Publikums befriedigte ohne die Zensur auf den Plan zu rufen.

Die Wiener Hexenversammlung ist eine Art gemalte Enzyklopädie all dessen, was mit dem Thema Hexerei im 17. Jahrhundert in Verbindung gebracht wurde. In dem eindrucksvollen Panorama unter freiem Himmel sind vorwiegend Frauen verschiedenen Alters und vielfältiger sozialer Herkunft in kleinen Grüppchen zusammengekommen, um nächtens im Freien unterschiedlichen magischen Aktivitäten nachzugehen. Ausgangspunkt der Komposition aus über dreißig Figuren ist die vornehm gekleidete Frau links.[4]Mehr zu diesem Bild und zum Thema Magie: Magie! – Geheime Mächte quer durch die Jahrtausende, Interaktive Tour der App KHM Stories, Wien 2016. Sie scheint neu hinzugekommen zu sein und ist gerade dabei ihren Körper von den teuren Gewändern und damit auch sozialen Normen zu befreien, ihr Haar ist bereits gelöst und bewegt sich im Wind. Während ihr Körper sich noch vom Geschehen in der Mitte des Bildes abzuwenden scheint, richtet sich ihr Blick bereits interessiert in Richtung Zentrum.

Da im 16. und 17. Jahrhundert in den Niederlanden kein Unterschied zwischen den Begriffen Hexerei und Zauberei gemacht wurde – beides wurde unter dem Begriff tovery subsumiert – findet sich auf dem Bild eine bunte Mischung an Objekten, Ritualen, Symbolen und magischen Formeln aus unterschiedlichen Bereichen wie Astrologie, Nekromantie und nicht zuletzt Alchemie.[5]Vervoort 2015, S. 54. Alchemistische und astrologische Zeichen für Metalle, Planeten oder Sternbilder sind über das Bild verteilt. Immer wieder ist auch das Hexagramm zu finden, das in der Alchemie für die Harmonie der vier Elemente steht. In einem weiteren Bild Franckens im Kunsthistorischen Museum mit dem Titel Hexenküche taucht das gleichbedeutende Wort Toverye sogar in einem magischen Kreis im Vordergrund auf. Auch Matthäus Merians Radierung nach einem Entwurf von Michael Herr von 1626 trägt den Titel Zauberey. Die zahlreichen Übereinstimmungen zwischen den Darstellungsgruppen in dieser Radierung und Franckens einige Jahre früher gemalten Hexenversammlung lassen sich einerseits darauf zurückführen, dass Szenen und Details aus Franckens Bildern durch wiederholte Werkstattkopien weite Verbreitung fanden, andererseits, dass Merian und Herr ebenso wie Francken auf ähnliche Vorbilder zurückgriffen: Die zahlreichen Mischwesen etwa, die sowohl bei Francken als auch bei Merian die Figuren begleiten und unterstützen, erinnern an Darstellungen von Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel d.Ä. Für beide Künstler war Brueghel aber nicht nur im Bereich der Monstermotivik inspirierend. Insbesondere sein Stich Der heilige Jacobus und der Zauberer Hermogenes, den der Antwerpener Verleger Hieronymus Cock 1565 bei ihm in Auftrag gab und veröffentlichte, beeinflusste wesentlich die Ikonographie der Hexenbilder um 1600.[6]Vervoort 2015, S. 54.

Das Motiv des Fliegens auf einem Besen oder mit Hilfe von dämonischen Wesen oder Ziegenböcken lässt sich von Brueghel über Francken bis hin zu Merian verfolgen. Bei Francken ist links im Bildmittelgrund zusätzlich eine Frau zu erkennen, deren Rücken mit Flugsalbe eingerieben wird. Solche Flugsalben enthielten narkotisierende, pflanzliche Verbindungen, die Halluzinationen hervorrufen konnten. Eine mögliche Zutat war die Alraunwurzel, die auf dem Gemälde links unten zu sehen ist, beschriftet auf einem kleinen Zettel daneben mit Mandragora.[7]Das Motiv der Flugsalbe taucht bei Francken immer wieder auf. Anlass dafür bot möglicherweise der Fall von Claire Goessen, die 1603 in Antwerpen der Hexerei angeklagt und hingerichtet wurde. Unter … weiterlesen

Rechts über der Frau, die mit Flugsalbe eingerieben wird, ist eine sogenannte Totenhand zu erkennen, die seit der Antike für magisch-heilende Zwecke verwendet wurde und als Motiv verstärkt in der flämischen Kunst seit Brueghel auftaucht. Solche Hände wurden Hingerichteten abgeschnitten, konserviert und mit Wachs eingelassen, damit sie wie Kerzen angezündet werden konnten.[8]Davidson 1988, S. 43. Eine detaillierte Beschreibung der Herstellung einer solchen Totenhand findet sich erstmals im Traktat Disquisitionum magicarum des Antwerpener Jesuiten Martin Delrio aus dem späten 16. Jahrhundert, der Franckens Bilder vermutlich nachhaltig prägte.[9]Hults 2005, S. 109ff.

Rechts im Hintergrund werden in einem großen Hexenkessel mit Hilfe von Knochen und anderen Utensilien Unwetter gebraut, die zu erstaunlichen Himmelserscheinungen führen und die einzelnen Bildbestandteile zu einem Ganzen verbinden.[10]Das Erscheinungsbild der pyrotechnischen Blitze lässt an das Feuerwerk denken, das 1594 anlässlich des Einzugs Erzherzog Ernsts von Österreich in Brüssel, bei deren künstlerischem Programm auch … weiterlesen Die Herstellung von Unwettern im Hexenkessel entspricht den traditionellen Vorstellungen von Schadenzauber (maleficium). Die klimatischen Veränderungen im Rahmen der Kleinen Eiszeit führten immer wieder zu Anklagen wegen Wetterzauber.[11]Auch dieses Motiv taucht im Zentrum von Brueghels Jacobus-Stich auf und wird von Matthäus Merian weiterentwickelt: Bei beiden dient ein sogenanntes Balneum mariae (Wasserbad) zum Brauen eines … weiterlesen

Lesekundigen Frauen wird sowohl bei Francken als auch bei Merian viel Raum gegeben. Bei Francken ist links im Vordergrund eine alte nackte Frau an einem Tisch mit einer Niederschrift beschäftigt. Umgeben ist sie von Gefäßen, unter anderem einem Dreieckstiegel und einem Becher, aus dem Dampf aufsteigt, sowie Rezepten, die an ein Laboratorium oder eine Apotheke denken lassen. Neben ihr haben sich mehrere Frauen in einem magischen Kreis zusammengefunden, in dem unterstützt von verschiedenen Objekten und Büchern ein Ritual vollzogen wird. In seiner Mitte sind kleine Körner, die an Goldsamen erinnern, zu erkennen. Von links hinten nähert sich eine Frau mit einer Kopfbedeckung mit zwei Hörnern, wie sie von Prostituierten getragen wurde.[12]Davidson 1988, S. 42f. Die Symbole darauf stehen für Sol und Luna, die ebenso an die Ikonographie der Alchemie erinnern, wie die eiförmigen Objekte und der rote Stein auf ihrem Tablett, von dem an Probiernadeln erinnernde spitze Objekte baumeln.

Es ist zwar nicht überliefert, wer dieses Bild in Auftrag gegeben hat, wenige Jahre nach seiner Entstehung ist es allerdings bereits in den habsburgischen Sammlungen nachweisbar und befindet sich bis heute in den darauf beruhenden Sammlungen des Kunsthistorischen Museums in Wien. Stolz bezeichnet sich der Künstler in seiner Signatur als Erfinder der phantasievollen Komposition, die vermutlich schon bald nach ihrer Entstehung in Prag in den Sammlungen des Habsburgers Rudolfs II. auftauchte.[13]In einem Inventar, das in den Jahren 1610-19 angelegt wurde, wird es in einer Liste von Bildern genannt, die von Prag nach Wien überstellt wurden. in: Swoboda, Gudrun, Die Wege der Bilder. Eine … weiterlesen Der Herrscher war für seine Faszination für Alchemie bekannt, in diesem Bild kehrt der Künstler allerdings eines der zentralen Anliegen der Alchemie um: Er verwendet echtes Goldpulver[14]Freundlicher Hinweis von Claudia Hogl. Danke auch an Gerlinde Gruber und Ina Slama. und setzt es ein, um spezielle Effekte in seinem Gemälde zu erzielen. Gold verwandelt sich so durch die Hand des Künstlers in das leuchtende Gesicht eines Dämons mit Kerze, der aus goldglänzenden Augen direkt aus dem Bild blickt und die Betrachtenden zu gelehrten Diskussionen über das kostbare Kunstkammerstück einlädt.

Magdalena Ölzant (2022)


Literatur

Davidson, Jane P., Hexen in der nordeuropäischen Kunst 1470-1750, Freren 1988, S. 40-46; Härting, Ursula, Frans Francken der Jüngere 1581-1642. Die Gemälde mit kritischem Oeuvrekatalog. Catalogue raisonne, Freren 1989; Ginzburg, Carlo, Deciphering the Sabbath, in: Early modern European witchcraft: centres and peripheries, hg. von Bengt Ankarloo und Gustav Henningsen, Oxford 1993, S. 121-137; Hexenwahn – Ängste der Neuzeit, Akat. Deutsches Historisches Museum, Berlin, hg. von Rosmarie Beier-de-Haan, Rita Voltmer und Franz Irsigler, Berlin 2002, S. 249; Hults, Linda C., The Witch as Muse. Art, Gender, and Power in Early Modern Europe, Philadelphia 2005; Gruber, Doris, Der Hexensabbat. Zeitgenössische Darstellungen auf illustrierten Flugblätter, Diplomarbeit, Graz 2013>; Bruegel‘s Witches. Witchcraft Images in the Low Countries between 1450 and 1700, Akat. Museum Catharijneconvent Utrecht und Musea Brugge, Sint-Janshospitaal, hg. von Renilde Vervoort, Brügge 2015>; Magie! – Geheime Mächte quer durch die Jahrtausende, Interaktive Tour der App KHM Stories, Wien 2016>

Endnoten
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1 Vervoort 2015, S. 9.
2 Zur Entstehung des Begriffes Hexensabbat und seinen Hintergründen siehe Ginzburg 1993, S. 121-137. Zur Verbreitung des Motivs siehe Gruber 2013.
3 Hults 2005, S. 109ff.
4 Mehr zu diesem Bild und zum Thema Magie: Magie! – Geheime Mächte quer durch die Jahrtausende, Interaktive Tour der App KHM Stories, Wien 2016.
5 Vervoort 2015, S. 54.
6 Vervoort 2015, S. 54.
7 Das Motiv der Flugsalbe taucht bei Francken immer wieder auf. Anlass dafür bot möglicherweise der Fall von Claire Goessen, die 1603 in Antwerpen der Hexerei angeklagt und hingerichtet wurde. Unter anderem wurde ihr vorgeworfen, Flugsalbe verwendet zu haben. Vgl. Hults 2005, S. 123.
8 Davidson 1988, S. 43.
9 Hults 2005, S. 109ff.
10 Das Erscheinungsbild der pyrotechnischen Blitze lässt an das Feuerwerk denken, das 1594 anlässlich des Einzugs Erzherzog Ernsts von Österreich in Brüssel, bei deren künstlerischem Programm auch der Vater von Francken beteiligt war, veranstaltet wurde. Mehr dazu: Raband, Ivo, Vergängliche Kunst & fortwährende Macht. Die Blijde Inkomst für Erzherzog Ernst von Österreich in Brüssel und Antwerpen, 1594, Merzhausen 2019, S. 179ff.
11 Auch dieses Motiv taucht im Zentrum von Brueghels Jacobus-Stich auf und wird von Matthäus Merian weiterentwickelt: Bei beiden dient ein sogenanntes Balneum mariae (Wasserbad) zum Brauen eines Sturmes. Als dessen Erfinderin gilt Maria Prophetissa, eine der Begründerinnen der Alchemie. Siehe Vervoort 2015, S. 104.
12 Davidson 1988, S. 42f.
13 In einem Inventar, das in den Jahren 1610-19 angelegt wurde, wird es in einer Liste von Bildern genannt, die von Prag nach Wien überstellt wurden. in: Swoboda, Gudrun, Die Wege der Bilder. Eine Geschichte der kaiserlichen Gemäldesammlungen von 1600 bis 1800, Wien 2008, S. 31.
14 Freundlicher Hinweis von Claudia Hogl. Danke auch an Gerlinde Gruber und Ina Slama.