Johann Theodor de Bry und Israel de Bry, Ein Muskelmann präsentiert seine abgezogene Haut, 1605, in: Robert Fludd, Anatomiae amphitheatrvm effigie triplici, Frankfurt: Johann Theodor de Bry 1623, Teil II mit anatomischen Illustrationen, S. 63, UB Frankfurt, Sign. 8° P 5.51, hier gezeigt Exemplar Getty Research Institute, Sign. 369782, ID Nr. 1378-360
Die Illustrationen im zweiten Teil des fluddschen Amphitheatrum veranschaulichen in der Logik Fludds die Anatomie des ‚äußeren‘ Menschen. Auf dem Titelblatt figuriert dafür die im rechten Kreis gezeigte Leichensektion (Abb.). Die Bilder für diesen Teil fertigte jedoch nicht Merian an, vielmehr stammen dieselben aus dem bereits 1605 von Theodor de Bry und seinen Söhnen Johann Theodor und Israel publizierten Theatrum anatomicum des Basler Arztes und Anatonomen Caspar Bauhin (1560-1624). Fast alle Abbildungen im Theatrum anatomicum von 1605 stammen wiederum selbst aus einschlägigen Fachpublikationen. Insgesamt 97 Abbildungen davon entlehnten die Gebrüder De Bry den Veröffentlichungen des Anatomen Andreas Vesalius (1514-1564). Für fünf innovative Tafeln lieferte der Basler Medizinstudent Johann Heinrich Frölich Zeichnungen, welche die De Brys anschließend in Kupfer stachen.
Dass Fludds Verleger Johann Theodor de Bry die anatomischen Bilder in Bauhins Theatrum überaus schätzte, wird daran deutlich, dass er sich ausdrücklich in mehreren Briefen für deren Wiederverwendung in Fludds anatomischen Amphitheatrum von 1623 einsetzte. Zu Beginn von Teil II erscheint der berühmte Muskelmann nach Juan de Valverde, wobei es in einer gesonderten Notiz an die Leser heißt: […] Hoc igitur respectu commotus, ego ad figuras illas viri clariss. Caspari Bauhini contra inventionis meae metam atque voluntatis affectionem constrigi cogor, utpote quae sumptibus dicti Theodor de Bry, Anno 1605. aere sunt exculptae, atque apud eum in promptu sine ulteriori eius sumptu aut taedio custoditae. Diese Form des Einflusses auf Fludds Bildstrategien, ja, die inhaltliche Charakteristik des gesamten Traktates und ebenso die langjährige Zusammenarbeit der beiden Männer ist offenbar der Grund dafür, dass Johann Theodor de Brys Selbstporträt in den Traktat aufgenommen wurde (Abb.>). Nach der Drucklegung des Buchs übersandte Merian das versprochne Exemplar, Anatomia Fluctibus an Bauhin und versicherte demselben eine weiterhin gute Zusammenarbeit.
Mit der Integration einer konventionellen Anatomie in seine Abhandlung unterstrich der Engländer Fludd – anders als andere paracelsische Ärzte – seine Nähe zu Vesalius, dessen Nachfolgern bzw. er manifestierte damit die Anerkennung der Leistungen der ‚Anatomie des Skalpells‘ als notwendigerweise zu berücksichtigendes Fundament der Medizin. Selbstverständlich war er als kabbalistischer Paracelsist jedoch der Auffassung, dass weit mehr Aspekte des menschlichen Körpers für dessen Verständnis zu beachten sind. Daher folgt im Dritten Teil seines universal gedachten anatomischen amphitheatrum eine hermetische Physiologie – nun nicht mehr nur den äußeren, sondern den inneren Menschen betreffend –, die in der innovativen Verbindung der neuesten Erkenntnisse der Anatomie mit den spirituellen Gedankengängen des Menschen als Mikrokosmos exemplarisch für die einflussreiche spekulative Naturphilosophie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts steht.
Berit Wagner (2021)
Literatur
zu Fludd, Anatomiae amphitheatrvm
Josten, C. H., Robert Fludd’s Philosophical Key and his Alchemical Experiments, in: Ambix, 11, 1963, S. 1-26, bes. S. 22f.; Pagel, Walter, William Harvey’s Biological Ideas: Selected Aspects and Historical Background, Basel 1967, S. 117f.; Yates, Frances, Gedächtnis und Erinnern. Mnemonik von Aristoteles bis Shakespeare, Berlin 2001 (6. Auflage), S. 294ff. (zum Theaterbegriff bei Fludd); Rösche 2008, bes. S. 266ff.
zu Bauhin Theatrvm Anatomicum
Rösche 2008; Reetz, Katja, Kaspar Bauhin, „Theatrvm Anatomicum“ 1605, o.J., http://www.theatra.de/repertorium/ed000161.pdf; Schober 2019, Kap. Frontispiz mit Schwein – Exzess in der Vermarktung anatomischen Wissens S. 294-296.