Alchemistische Medaille

Alchemistische Medaille, 16./17. Jh., Gold, Durchmesser: 26,5 mm, Gewicht: 24,6 g, Landesmuseum Württemberg, Inv. Nr. MK 19316

An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert richtete Herzog Friedrich von Württemberg (reg. 1593-1608) in Stuttgart eine Kunstkammer ein, in der Objekte aus den unterschiedlichsten Bereichen versammelt waren, kunsthandwerkliche Arbeiten aus kostbarsten Materialien und von höchster Qualität, Waffen, wissenschaftliche Instrumente, Münzen und Medaillen, Naturalia sowie Exotica und Ethnographica aus fernen Ländern. Während des Dreißigjährigen Kriegs gingen die Bestände der württembergischen Kunstkammer fast vollständig verloren. Nach dem Westfälischen Frieden machte sich Herzog Eberhard III. (reg. 1628-1674) daran, die Kunstkammer wiederaufzubauen.

Nicht nur die Hauptlinie des Hauses Württemberg in Stuttgart richtete eine Kunstkammer ein, sondern auch die Nebenlinie in Mömpelgard (Montbéliard, Departement Doubs), das rund vier Jahrhunderte lang zu Württemberg gehörte. Herzog Ludwig Friedrich von Württemberg-Mömpelgard (reg. 1617-1631) legte im Mömpelgarder Schloss eine Kunstkammer an, die zwar die Wirren des Dreißigjährigen Kriegs überstand, aber in den 1670er Jahren mehrmals von französischen Truppen geplündert. Mit dem Tod von Herzog Leopold Eberhard (reg. 1699-1723) erlosch die jüngere Nebenlinie Württemberg-Mömpelgard im Jahre 1723. Die Kunstwerke, die in Mömpelgard aufbewahrt waren, fielen an die Hauptlinie in Stuttgart und wurden in die dortige Kunstkammer integriert.

Aus den 1740er Jahren haben sich zwei Listen erhalten, die den Bestand der Mömpelgarder Sammlung in den 1740er Jahren dokumentieren: das Inventar der gesamten Verlassenschaft Herzog Carl Alexanders von Württemberg (reg. 1733-1737) und die Consignation von denen Mömpelgardischen Antiquitaten. Beide Quellen dokumentieren ein numismatisches Objekt aus einem besonderen Material, das sich bis heute im Stuttgarter Münzkabinett erhalten hat: 1 Müntz von alchymistischem Gold, rund, mit einem Löwen auf dem Altar, woran ein Henckel. Nach Ansicht der Verfasser der Inventare besteht diese Medaille aus Gold, das während eines alchemistischen Verwandlungsprozesses aus unedlem Metall gewonnen wurde. Auf ihren beiden Seiten finden sich Bilder, Symbole und Texte, die zum einen auf das Edelmetall Gold verweisen, zum anderen aber auch auf dunkle Mächte, die bei der Transmutation behilflich waren.

Seit der Antike waren den sieben bekannten Himmelskörpern sieben Metalle zugeordnet, die „Planetenmetalle“. Die Zuordnung erfolgte aufgrund der charakteristischen Eigenheiten der Planeten und ihrer Götter: So war dem roten Planeten, dem Mars, das Eisen zugewiesen, dem silbrig-weißen Mond das Silber und der leuchtenden Sonne das glänzende Gold. Auch jedem Tierkreiszeichen war ein Planet zugeordnet: dem Mars der Widder, dem Mond der Krebs und der Sonne der Löwe. Daher finden sich auf dem Avers der Medaille aus alchemistischem Gold die Darstellung eines Löwen und die eingeritzten Symbole der Sonne bzw. des Sonnendämons. Gezeigt ist der in den Inventaren benannte Löwen, der auf einem Podest liegt. Das Symbol auf diesem Podest steht für die Sonne, das Zeichen hinter dem Löwen symbolisiert den Sonnendämon, eine Verkörperung des Antichristen, dessen Symbol vom Lamm mit den zwei Hörnern abgeleitet wurde, wie es in der Apokalypse (Offb 13,11) beschrieben ist.

Auf dem Revers ist auf einem Hügel ein alter Mann dargestellt, der nur mit einem Lendenschurz bekleidet ist und eine Krone trägt. Diese Darstellung kann wie ähnliche Bilder auf anderen alchemistischen Medaillen gedeutet werden: Der Mann mit Krone steht für den Erfolg eines alchemistischen Prozesses, bei dem Gold aus gewöhnlichem Metall gewonnen wurde. Diese Verwandlung von unedlem in edles Metall gelang jedoch nur mit Hilfe dunkler Mächte: Auf der Rückseite sind entlang des Körpers in ungelenken Buchstaben die Namen von Engeln eingeritzt, die sich gegen Gott erhoben: SAMAEL (Samuel), SOMACHIEL, STAHAEL (Satichel), SORAXIEL, SRQVIEL (Satquiel), OFFIEL, STEMANA (Semana), VOAMO, SABICHEL (Sabaniel oder Sarichel) und MANASIEL (Manasel) (Abb.).

Die Medaille besaß ehemals zwei Ösen, von denen die obere bereits 1741 abgebrochen war, da nach Auskunft der Inventare an diesem Stück nur noch ein Henckel vorhanden war. Mithilfe der Ösen konnte die Medaille an einer Kette oder an der Kleidung befestigt werden und so den Träger vor Unheil schützen oder ihm bei alchemistischen Experimenten zum Erfolg verhelfen.

Die Müntz von Alchemistischem Gold war und ist ein spektakuläres Objekt aus einem – vermeintlich – noch spektakulärerem Material. Die fürstlichen Sammler in Mömpelgard und später in Stuttgart hatten diese Medaille sicher mit großem Vergnügen in ihre Sammlungen aufgenommen. Doch die Kunstkammern und insbesondere die Münzkabinette waren auch ein materieller Schatz. Und so findet sich zu dieser Medaille in einem der Inventare aus dem 18. Jahrhundert auch eine Wertangabe. Die Müntz von Alchemistischem Gold wurde angeschlagen pro 25 Gulden.

Matthias Ohm


Literatur

Ohm, Matthias, „Allerhandt Sigillen“ und eine „Müntz von Alchemistischem Gold“. Medaillen-Amulette aus der Kunstkammer der württembergischen Herzöge, in: Geldgeschichtliche Nachrichten Bd. 48 (2013), H. 270, S. 313-324; Von Goldmachern und Schatzsuchern. Alchemie und Aberglaube in Württemberg. Ausstellungskatalog Hauptstaatsarchiv Stuttgart, bearb. von Andrea Heck, Stuttgart 2013, Nr. III.3; Ohm, Matthias, Aus der Mömpelgarder Sammlung in die Stuttgarter Kunstkammer. Zwei Inventare von Münzen und Medaillen der Herzöge von Württemberg-Mömpelgard, in: Geldgeschichtliche Nachrichten Bd. 49 (2014), H. 276, S. 317-328; Ohm, Matthias, Die Münzen- und Medaillensammlung, in: Die Kunstkammer der Herzöge von Württemberg. Erforschung von Bestand, Geschichte und Kontext, Bd. 1, Ulm 2017, S. 339-353 (https://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum/catalog/book/602);

Vgl. auch https://www.landesmuseum-stuttgart.de/sammlung/sammlung-online/dk-details/?dk_object_id=987 (Foto: Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch)