Transformation Atalanta fugiens in illuminiertes Buch

Französische Übersetzung und Kopie von Michael Maier, Atalanta fugiens, Oppenheim: Johann Theodor de Bry 1618, Illuminierte Handschrift, Frankreich (?), 17. Jh., Ms. Manly Palmer Hall 170, Box 27, unpaginiert, Los Angeles, Getty Research Institute

Im 16. bis zum 18. Jahrhundert war es typisch, die gedruckten Versionen von alchemischen Handschriften mit vereinfachten oder manchmal sogar verbesserten Abbildungen zu reproduzieren. Viel seltener aber gibt es die Übertragung von der Druckschrift in das Medium des illuminierten Manuskriptes. Am bekanntesten ist sicherlich die vielfache Herstellung von Manuskripten nach dem 1550 erschienenen Rosarium Philosophorum. Auch die Bildfindungen Merians wurden in das Medium der Buchmalerei übertragen. Eine solche Transformation ist bei Ms. 170 aus der berühmten Sammlung von Manly Palmer Hall zu beobachten, die im Getty Research Institute (Los Angeles) aufbewahrt wird. Das Nachleben der Bildfindungen Merians in dieser französischen Handschrift demonstriert, wie einflussreich, geographisch ausgreifend und wichtig sein Werk und die damit entstandenen Bilder waren. Einige Bildkompositionen wurden neu interpretiert, was das stete Interesse von Alchemisten an Maiers Emblembuch zeigt.

Der französische Illuminator hat im 17. Jahrhundert nahezu die gesamte Bildserie kopiert, die Merian für Michael Maiers Emblembuch Atalanta fugiens angefertigt hatte (Nummerierung nun mit arabischen Ziffern). Es ist ziemlich offenbar, dass diese einzigartigen Kupferstiche in den kleinformatigen Illuminationen malerisch keine besondere Aufwertung erfahren haben. Jedoch hat der anonyme Maler einige Details aus der Sicht der alchemischen Bedeutung zu klären versucht, meistens mit Hilfe der Farben. Fast alle Bilder werden weitgehend nach Merian kopiert: Die Landschaften – das Markenzeichen Merians d.Ä. – sind meistens vereinfacht wiedergegeben. Einige Details jedoch fehlen, z.B. auf dem Emblem III (bzw. 3) die Wäsche einer Wäscherin; auf dem Emblem XVIII (bzw. 18) ist neben dem Adepten kein Hund mehr zu sehen (s.o. & Abb.>). Insgesamt vier Embleme fehlen,[1] aber das war mutmaßlich nicht beabsichtigt, da die ebenfalls kopierten Paratexte daneben zu sehen sind. Es scheint somit, dass es sich bei Ms. 170 lediglich um eine unvollständige kolorierte Kopie handelt, aber das ist nicht ganz richtig. Der Maler hat einige wichtige Neuerungen eingeführt, die den Inhalt der in die französische Sprache übersetzten Texte verstärken. Auf Emblem VIII (bzw. 8) hat der Alchemist nun ein feuriges Schwert erhalten (im Original ein eisernes), das vermittels der roten Farbe und züngelnder Flammen die Feuerelementkraft versinnbildlicht. Er wirkt damit ein auf das Ei – Symbol des Alembiks, des Gefäßes, das mit lutum hermetisch versiegelt war.

Vier feurige Sphären aus dem Emblem XVII (17) verwandeln sich in die Symbole der vier Elemente: Feuer, Luft, Wasser und Erde (s.o.). Adam und Eva erscheinen auf den Emblemen XXI (21) und XL (40) golden und silbern koloriert, als Symbole von philosophischem Schwefel und Quecksilber, wie wir sie bereits auf den berühmten Ripley Scrolls[2] finden (Abb.>). Mit Hilfe der Malfarben kann der Illuminator zeigen, dass der Löwe auf dem Emblem XXXVII (37) grün ist, was Maier auch im Text ausgeführt hat. Überdies sind das rote Gewand des Königs auf dem Emblem XLVI (46), das rotgefärbte Blut auf dem Emblem XLVII (47) und die goldene Farbe des Vlieses auf dem Emblem XLIX (49) Innovationen des französischen Malers. Die Ausführung von Emblem XLIX ist insbesondere aus mythoalchemischer Sicht hervorzuheben, denn das Goldene Vlies und die damit verbundene Argonautenreise bildeten in einigen Abhandlungen die Metaphern für den Stein der Weisen und das Opus magnum.[3]

Sergei Zotov (2021)


Literatur

Hogart, Ron Charles (Hg.), Alchemy. Comprehensive bibliography of the Manly P. Hall collection of books and manuscripts. Including related material on Rosicrucianism and the writings of Jacob Boehme, Los Angeles 1986, S. 272-274

Endnoten
  1. Es fehlen die Embleme XXIII, XXIII-XXIV und XXXVIII.

  2. Ripley Scrolls, England (?), c. 1570, Ms. Mellon 41, New Haven. Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Bild Nr. 5 vgl. https://brbl-dl.library.yale.edu/vufind/Record/3592268.

  3. Beispielsweise wird dem legendären Salomon Trismosin die um 1490 verfasste Kompilation vom Aureum Vellus Oder Guldin Schatz und Kunst-Kammer zugeschrieben. Zur Mytholalchemie vgl. zusammenfassend Reiser 2011, S. 202f.; Wagner 2019, S. 246-248; speziell zur Mytholalchemie in der Atalanta fugiens vgl. Forshaw 2020, vgl. https://furnaceandfugue.org/essays/forshaw.