De Bry, Selbstporträt

Johann Theodor de Bry, Selbstporträt 1615, Verso des Titelblattes in Robert Fludd, Anatomiae Amphitheatrum effigie triplici, more et conditione varia, designatvm, Frankfurt: Johann Theodor de Bry 1623, UB Frankfurt, Sign. 8° P 5.51, (Abbildungen im UB-Exemplar nicht enthalten), hier gezeigt Exemplar Westfälisches Landesmuseum Münster, Porträtarchiv Diepenbroick, Inv. Nr. C-511983 PAD

Das schon 1615 angefertigte Selbstporträt stellt Johann Theodor de Bry (1561-1623) in seinem 54. Lebensjahr dar. Sein Schwiegersohn Johannes Ammonius Ambergensis war der Verleger des Widmungsblattes, welches sich, was zunächst erstaunlich scheint, eingebunden in Robert Fludds Abhandlung Anatomiae Amphitheatrum effigie Triplici, more et conditione varia, designatum von 1623 befindet. Der unerwartete Tod des Verlegers De Bry im Publikationsjahr des Buches war demnach der Anlass, denselben mit der Aufnahme seines Selbstporträts zu ehren, da ihn mit dem Arzt und Alchemisten Robert Fludd eine langjährige Zusammenarbeit und Freundschaft verbunden hatte.

Die Stecher- und Buchdruckerfamilie De Bry nahm in den Jahren 1590 bis 1630 eine zentrale Rolle innerhalb der Frankfurter Verleger und Buchhändler ein. Der im Jahre 1528 geborene Wallone Theodor de Bry (1528-1598), der Vater des im Kupferstich abgebildeten Johann Theodors, war 1570 dazu veranlasst seine Heimat Lüttich aufgrund seines reformierten Glaubens zu verlassen. Er ließ sich zunächst in Straßburg nieder und zog 1588 nach Frankfurt am Main, der Heimat seiner Frau. Zusammen mit seinen Söhnen Johann Theodor und Johann Israel (1565-1609) baute er sich in Frankfurt einen bedeutenden Kunst- und Buchhandel auf. Die vom Vater aufgebaute professionelle Verbindung nach Antwerpen blieb bestehen. Mehrere Jahre verlegte Johann Theodor de Bry den Verlag ab 1609, zumindest teilweise, nach Oppenheim, wo er, außerhalb der anticalvinistischen Frankfurter Ratshaltung und im Schutzbereich des pfälzischen Kurfürsten Friedrich V., tätig werden konnte. Der Kontakt nach Frankfurt riss jedoch zu keinem Zeitpunkt ab, da De Bry weiterhin mit den für den hochwertigen Kupferdruck prädestinierten Druckerwerkstätten kooperieren wollte, regelmäßig an der Frankfurter Messe teilnahm, und 1619 war das Oppenheimer Exil vorbei. Aus diesem Grund ist eine Reihe der berühmtesten Alchemica illustrata, darunter Robert Fludds Hauptwerk Utriusque cosmi historia oder Michael Maiers Emblembuch Atalanta fugiens, in Oppenheim – wo ab 1616 auch Matthäus Merian bei De Bry arbeitete – erschienen.

Zu den erfolgreichsten, nicht alchemischen Kupferstichwerken der Familie gehören insbesondere ‚Die großen und die kleinen Reisen nach Ost- und Westindien‘ (opulent illustrierte Reiseberichte über die Entdeckung und Eroberung Amerikas und die Handelsexpansion nach Asien), die genealogischen und historischen Werke von Johann Jacob Boissard, die Emblemata nobilitatis und die Emblemata chalcographika illustrium virorum mit den Bildnissen humanistisch gebildeter Persönlichkeiten. Komplettiert wurde das Familienunternehmen mit der Heirat des begabten Matthäus Merians mit De Brys Tochter Maria Magdalena im Jahre 1617. Eine geschäftliche Erweiterung für den Bereich der Alchemica illustrata stellte sicherlich Lucas Jennis dar, der als Stiefneffe und Geselle bei Johann Theodor de Bry wichtige Aufträge übernahm und ab 1616 eigenständig, aber weiterhin auch als wichtiger Partner agierte.

Johann Theodor de Bry inszeniert sich in seinem Selbstporträt vor einem dunklen Fond stehend als Halbfigur hinter einer Ablage oder einem Schautisch. Selbstbewusst blickt er dem Betrachter im Dreiviertelprofil entgegen. Er trägt, wie zu seiner Zeit charakteristisch, ein ausgeschmücktes Wams sowie ein darunter getragenes, gepunktetes Hemd. Eine Halskrause komplementiert sein vornehmes Erscheinungsbild. Der Grabstichel in seiner rechten Hand verweist auf De Brys Tätigkeit als Kupferstecher. Links im Bild ist der Wahlspruch der De Bryschen Familie Nul sans soucy angegeben. In der Linken hält der Dargestellte einen – augenscheinlich auf Holz aufgezogenen – Kupferstich, auf dem ein Totenschädel mit darauf sitzendem Kind, das Seifenblasen in die Luft bläst, zu sehen ist. Die Kombination aus Kindheit und Tod ist ein typisches Motiv der frühneuzeitlichen Emblematik, das auf die Vergänglichkeit anspielt. Der Kupferstich trägt eine biblische lateinische Aufschrift aus Johannes 8.51. In der Übersetzung Martin Luthers heißt es dort: Wahrlich, wahrlich, ich sage Euch: So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich. Durch diese Art der Darstellung wird diskret auf die Emblembücher hingewiesen, die der Vater Johann Theodors veröffentlicht hatte.

Auf der augenscheinlich hölzernen Platte vor ihm liegen zwei große bedruckte Papierstapel, die Teil der De Bryschen Sondereditionen sind. Sie verweisen auf die erwähnten Grands voyages und auf die Petits voyages. Durch diese Darstellung wird ebenso die für Johann Theodor de Bry grundlegende Tätigkeit als Verleger dokumentiert. Neben diesen Stapeln ist ein Blatt zu sehen, auf dem das Zitat Du erforschst mich aus dem 139. Psalm steht und auf die reformierte Theologie deutet sowie ein Bekenntnis zum Protestantismus ist. Das Porträt weist somit verschiedene symbolische Intentionen auf und verbindet Beruf und Glauben miteinander. Die Memento mori-Symbole können als eine letzte Reminiszenz an den Vater verstanden werden, dennoch setzt Johann Theodor den Fokus auf das Aushängeschild der Familie, nämlich das verlegerische Schaffen. Das Porträt ist somit „dazu prädestiniert […], Identität zu entwickeln und zu artikulieren“.[1]Keazor 2003, S. 403.

Nazanin Raji (2021)


Literatur

Wüthrich Bd. 2, 1972, Nr. 62, S. 78; Hollstein XXVIA, 1990, Nr. 603

Sondheim, Moriz, Die de Bryschen grossen Reisen, in: Het Boek 24, 1936, S. 331-364; Yates 1972 (2002); Stahl, Patricia, Die Verlegerfamilie de Bry, in: Ausstellung zur Geschichte der Frankfurter Messe (Historisches Museum Frankfurt am Main), Ausstellungskatalog, hg. von Patricia Stahl (Brücke zwischen den Völkern – Zur Geschichte der Frankfurter Messe, hg. von Rainer Koch, Bd. 3), Frankfurt am Main 1991, Kat. Nr. I. 26.15, S. 216f.; Klossowski de Rola 1988, S. 8-22; Neugebauer 1993, Nr. 235, S. 304; Obermeier, Franz, Brasilien in Illustrationen des 16. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2000, S. 80; Keazor, Henry, Charting the autobiographical, selfregarding subject? Theodor de Brys Selbstbildnis, in: Zeitsprünge 7, 2003, 2/3, S. 395-428; Greve, Anna, Die Konstruktion Amerikas. Bilderpolitik in den „Grands Voyages aus der Werkstatt de Bry, Weimar 2004, S. 49f.; Groesen, Michiel van, The representations of the overseas world in the De Bry Collection of voyages (1590-1634), Leiden 2008, S. 107; Schmidt, Dorothee, Reisen in das Orientalische Indien. Wissen über fremde Welten um 1600, Köln u.a. 2016, S. 53ff.

Online-Ansicht Exemplar Münster

Literatur Johann Theodor de Bry allgemein

Zülch 1935, S. 439-441; Benzing, Josef, Johann Theodor de Bry, Levinius Hulsius Witwe und Hieronymus Galler als Verleger und Drucker zu Oppenheim (1610-1620), in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Frankfurt 1964, S. 2952-2978; Ders., Der Buchdruck zu Oppenheim, in: Oppenheim, Geschichte einer alten Reichsstadt, hg. von Hans Licht, Oppenheim 1975, S. 163-167

Grundlegend für den Verlag als Kunst- und Wissenschaftsverlag zur Zeit des Begründers Theodor de Bry

Giuseppi, M.S., The work of Theodore de Bry and his sons, engravers, in: Proceedings of the Huguenot Society of London, 11, 1915-1917, S. 204-226; Keazor, Henry, Theodore De Bry’s images for America, in: Print quarterly, 15, 1998, Nr. 2, S. 131-149>; Groesen, Michiel van, Boissard, Clusius, De Bry and the making of “Antiquitates Romanae”, 1597–1602, in: Lias 29, 2002, Nr. 2, S. 195-215; Meganck, Tine, Erudite eyes: artists and antiquarians in the circle of Abraham Ortelius (1527-1598), Princeton 2003

Endnoten
Endnoten
1 Keazor 2003, S. 403.