Merian, Autorenporträt Robert Fludd, 1626

© National Portrait Gallery, London

Matthäus Merian d.Ä., Autorenporträt Robert Fludd, in: Philosophia sacra & vere Christiana seu Meteorologia cosmica, Frankfurt: Johann Theodor de Bry 1626, signiert Mattheus Merian Basilien: fecit, Epigramm J. Ludovicus Gotofridus (1584-1633), National Portrait Gallery, London, Inv. Nr. NPG D27939 (beschnitten, fehlt Epigramm)

Die Radierung diente als Autorenporträt für die Publikation Meteorologia Cosmica aus dem Jahr 1626.[1] Merian signierte ausführlich mit Mattheus Merian Basilien: fecit. Der im Dreiviertprofil dargestellte Autor Robert Fludd (1574-1637) sitzt (oder steht) an einem Tisch und wendet sich dem Betrachter zu. Ein Tuch schlängelt sich um den Oberkörper und fällt anschließend über seinen angewinkelten rechten Arm. Die Finger der auf die Brust gelegten rechten Hand sind gespreizt und zeigen zur rechten Bildhälfte, wobei der Zeigefinger anspielungsreich sanft auf Fludds Herz tippt. Hingegen ist seine Linke – wie zum Schutze oder als Beteuerung seiner von Herzen kommenden Überlegungen – auf einem nur angeschnitten sichtbaren Traktat des Autors abgelegt. Fludd wird als ein schmalschulteriger Mann mittleren Alters gezeigt. Er schaut mit weitgeöffneten, etwas hervortretenden Augen und betonten Augenringen, aber einem durchdringenden Blick aus dem Bild heraus. Ein gepflegter, überaus modischer Schnauzbart und ein spitz zulaufender Unterlippenbart zieren sein Gesicht. Die leicht gewellten Haare lassen den oberen Teil des Kopfes frei und die markanten Stirnfalten treten hervor. Der berühmte Alchemist wird in einem reich verzierten schulterbetonten Gewand dargestellt. Der Kragen und die Verzierungen der Handgelenke zeigen modischen Spitzenstoff, der mit der floralen Musterung der übrigen Gewandung aus schwarzem Seidenbrokat harmoniert. Die akzentuierte Kleidung bietet Aufschluss über die sozioökonomische Stellung des Dargestellten; sie soll Robert Fludd als angesehen und wohlhabend repräsentieren.

Links im Bild auf Kopfhöhe ist ein Wappen zu sehen, das in 12 Felder unterteilt ist. Wie bei adligen Rittersfamilien üblich sitzt auf dem Schild ein Helm mit entsprechenden Helmdecken. Als Helmzier dient eine Raubkatze. Zwischen dem Helm und der Raubkatze ist die Rangkrone zu erkennen, die nochmals auf Fludds ritterliche, adlige Abstammung verweist.[2] Auf den Wappenfeldern sind Tiere wie Vögel, Raubkatzen und auch ein Drache, sowie geometrische Figuren zu erkennen. Die Mondsichel zwischen den Feldern oder die Kugeln, die das Symbol für Sand darstellen, lassen vermuten, dass es sich um alchemistische Symbole handelt.

Der rechte Bildrand wird von einem Vorhang dominiert, auf dem in der oberen Ecke die Sonne abgebildet ist. In den Sonnenstrahlen ist der Text des Psalms 18.29 in Latein wiedergegeben: (dt.) Herr, du hast Licht in mein Leben gebracht, du, mein Gott, hast meine Finsternis erhellt. In der Meteorologia Cosmica entwickelt Fludd Zusammenhänge von Natur, Religion und Mensch. Er gewährt wissenschaftliche Einblicke in Naturphänomene wie Licht, Wind und kosmische Gesetzmäßigkeiten. Dabei ist er bemüht, diese in einen religiösen Kontext einzubauen und den Menschen als das Ende der weltlichen Schöpfung darzustellen. Mit der Berufung auf den Psalm versichert Fludd sich der göttlichen Eingebung seines Wissens. Durch das Zitat dieses Bibelspruchs ordnet sich der gottesfürchtige Fludd dem Allmächtigen unter, denn nur mit Gottes Hilfe konnte er all diese Zusammenhänge erkennen.[3] Dies wird auch nochmals durch das Zitat am linken oberen Bildrand verdeutlicht: In lumine tuo Videbimus lumen (dt. Im Deinem Licht sehen wir das Licht). Nur wer durch das Licht Gottes erhellt ist, kann die Kausalität der Naturkräfte begreifen.

Die Entstehungsgeschichte der Radierung ist – ebenso wie deren verzweigte Rezeptionsgeschichte nach 1626 – weitgehend ungeklärt und erfordert künftig intensivere Forschungen. Als Merian 1626 das Porträt anfertigte, befand sich Robert Fludd vermutlich in England. Lediglich eine Reise ist für den Autor zwischen 1598 und 1604 auf dem europäischen Festland nachgewiesen. Wahrscheinlich wäre – analog zu den zeitgenössischen Porträtpraktiken –, dass Merian die Radierung nach einer Vorlage anfertigte und sich Künstler und Porträtierter nicht persönlich begegneten. Ein Zusammenhang zwischen der Radierung und einem, laut Inschrift, um 1620 gefertigten Gemälde Robert Fludds (Abb.>) erscheint aufgrund wesentlicher physiognomischer und ikonographischer Übereinstimmungen möglich, wenngleich sich Fludds Körperhaltung, Bildausschnitt (Halbfigur versus Hüftbild) und die Wappendarstellung in ihrer Differenziertheit und Ikonographie stark unterscheiden (im Gemälde lediglich 6 Wappenfelder). Auf dem noch nicht befriedigend (gemäldetechnologisch) untersuchten Tafelbild wird Fludd von einem grünen Vorhang hinterfangen. In der Hand hält er ein Buch mit der Rückenaufschrift […] Utriusque […], was sicherlich Utriusque cosmi historia heißen soll. Wie in der Radierung prangt am rechten oberen Bildrand die angeschnittene Sonne mit Strahlen.[4] Robert Fludd wird im Gemälde deutlich jünger dargestellt, weshalb die Alterserscheinungen in Merians Radierung von 1626 – parallel verlaufende Stirnfalten, Verlust von Haaren auf der Stirnpartie – schlüssig erscheinen. Insofern ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass Fludd später doch noch einmal auf den Kontinent reiste, um im gut erreichbaren Frankfurt seine Verleger und Geschäftskollegen, den Kupferstecher Merian und nicht zuletzt auch den Verfasser des Epigramms, Johann Ludwig Gottfried, zu treffen. Im Vergleich zum Gemälde hat Merian die Nase kleiner und weniger hervorstehend gestaltet. Das Wappen wird wesentlich detaillierter angegeben und die Sinnsprüche sind hinzugetreten, was für eine präzisierte und vom Dargestellten angewiesene Neuauflage älterer Porträtversionen durch den Frankfurter Verlag spricht.

In seinem Hauptwerk, Utriusque cosmi historia, setzte Fludd sich mit dem biblischen Weltbild auseinander und erkundete die Prinzipien von Licht und Schatten. Vor allem befasste er sich ein Leben lang mit dem Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur, um Parallelen zwischen der Gesundheit des Körpers und dem Licht der Sonne zu ziehen. Viele hielten seine alchemischen und kabbalistischen Spekulationen für unlautere Magie, weshalb er häufig kritisiert wurde. Fludds in Oppenheim und Frankfurt verlegte Werke, die maßgeblich mit Radierungen Merians versehen waren, eröffneten einen neuen Diskurs um die Nutzung von Bildern als Darstellungsform in naturwissenschaftlichen Debatten. Der Autor nutzte Bilder, um komplexe Themen einfach zu erklären. Er konzipierte Bilder nicht als textunterstützende Illustrationen, sondern als autarke Erkenntnisquelle und versuchte zudem, mit ihrer Hilfe die Ideen und Erkenntnisse greifbar zu gestalten.[5]

Sarah Heidari / Kea Simonis


Literatur

Wüthrich Bd. 2, 1972, Nr. 63, S. 79; Einzelstich Nr. 638

O’Donoghue, Freeman, Catalogue of Engraved British Portraits preserved in the Department of Prints and Drawings in the British Museum, 6 Bde., London 1905-1925, hier Bd. 2, 1910, Fludd Nr. 1, S. 228

Für den Kontext:

Wüthrich, Lucas, Eintrag Gottfried, Johann Ludwig, in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 677f. Online-Version; Burgess 1973, Nr. 994; Rösche 2008

Endnoten
  1. Unbeschnittene Version vgl. Online-Exemplar der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/16704/8/0/.

  2. Rösche 2008, S. 19.

  3. Rösche 2008, S. 28.

  4. https://wellcomecollection.org/works/fr8n92uz. Fludd hält laut der Inschrift auf dem Buchrücken einen optisch verkleinerten Band von Utriusque cosmi historia in der Hand. Die Information auf dem Rahmen des Gemäldes (57 x 44 cm, Wellcome Library no. 45622i) weist u.a. darauf hin, dass der Künstler auf dem Schild Frans Pourbus (?) war (dann Frans Pourbus d.J., 1569-1622). Vgl. Christopher Wright u.a., British and Irish paintings in public collections, New Haven/London 2006, S. 201. Dort nur Nennung des Objektes mit Inv. Nr., Abteilung British school, Date unknown. Auf dem Gemälde jedoch deutlich die Jahreszahl AN[n]o 1620 zu erkennen und AETATIS SUAE 40 (?). Beachte: 1620 war Fludd bereits 46 Jahre alt. Aber womöglich stand ursprünglich 46 da, was durch den Sonnestrahl manipuliert wurde. Siehe auch das Autorenbild (Frontispiz) in der Ausgabe Integrvm morborvm mysterivmvon, Frankfurt: Wilhelm Fitzer 1631, das verblüffender Weise die Physiognomie des Londoner Gemäldes von 1620 in viel größerer Präzision wiederholt. https://archive.org/details/integrvmmorborvm00flud/page/n5/mode/2up

  5. Weichenhahn, Michael, Geometrisches Modell der Welt vs. die Welt als Bild – Johannes Kepler und Robert Fludd, in: Die Welt als Bild: interdisziplinäre Beiträge zur Visualität von Weltbildern, hg. von Christoph Markschieß und Johannes Zachhuber, Berlin 2008, S. 151-170; Lüthy 2018.